Lotus feiert zehnten WM-Rang

Tony Fernandes hat gut lachen:

Sein Team verfügt nun über mehr Geld

Das Zittern am Lotus-Kommandostand während des Grand Prix von Brasilien war gross, auch wenn Heikki Kovalainen und Jarno Trulli nicht einmal in der Nähe der Punkteränge fuhren. Aber der befürchtete Regenschauer (der nicht kam) hätte das Rennen in Sao Paulo theoretisch auf den Kopf stellen und somit HRT oder Marussia-Virgin zu einer Überraschung verhelfen können.

Denn schon ein zwölfter Platz hätte genügt, um das Team Lotus noch vom zehnten Platz in der Konstrukteurs-WM zu verdrängen - für die Grün-Gelben aus Hingham, künftig unter dem Namen Caterham am Start, standen diese Saison drei 13. Plätze zu Buche. Dass es letztendlich gereicht hat, veranlasste die Mannschaft von Tony Fernandes zu Jubelstürmen - weniger wegen des zehnten WM-Schlussrangs an sich, sondern vielmehr wegen des damit verbundenen Preisgelds.

36 statt acht Millionen US-Dollar

"Ich habe mir noch nie so sehr gewünscht wie jetzt gerade, dass die nächsten sechs Stunden schnell vergehen", hatte Fernandes vor dem Start geseufzt. Kein Wunder: Caterham wird nächstes Jahr ein sogenanntes "Column-1-Team" sein. "Wir verdienen jetzt 36 statt acht Millionen Dollar", freut sich Fernandes schon auf die nächstjährige FOM-Ausschüttung aus dem grossen Einnahmentopf von Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone.

Hintergrund: Die Einnahmenverteilung ist im Concorde-Agreement nach Säulen geregelt, sogenannten "Columns". Für die erste (und lukrativste) Säule sind nur Teams qualifiziert, die von den vergangenen drei Weltmeisterschaften mindestens zwei in den Top 10 abgeschlossen haben. Das trifft auf Lotus nun zu. Gibt es mehr als zehn Teams, die dieses Kriterium erfüllen, kommen nur die zehn besten Teams der letzten Konstrukteurs-WM in den Genuss der Ausschüttung. "Das waren zwei Jahre harte Arbeit", freut sich der malaysische Teamchef. "Das war unser Ziel und jetzt haben wir eine solide Basis, auf die wir aufbauen können. Du musst zweimal hintereinander mindestens WM-Zehnter werden, um ein 'Column-1-Team' zu werden, und das haben wir jetzt geschafft. Darum springen wir herum wie die Irren. Die Brasilianer haben nicht verstanden, warum wir uns über Platz zehn so freuen!"

Mehrere Sponsoren an der Angel

Wirklich sicher fühlte er sich erst, "als Heikki D'Ambrosio zum zweiten Mal überrundet hat", grinst Fernandes. Letztendlich kam der Finne nur als 16. und Jarno Trulli als 18. ins Ziel, doch weil weder HRT noch Marussia-Virgin den erlösenden zwölften Platz schafften, war das ausreichend. Nun eröffnen sich für Lotus beziehungsweise Caterham völlig neue finanzielle Möglichkeiten - das 2012er-Budget wird auf einen Schlag um umgerechnet rund 21 Millionen Euro erhöht.

Den "Column-1-Status" verhindern können hätte theoretisch die Namensänderung von Lotus in Caterham, denn wenn sich der Chassisname ändert, verliert ein Team laut Concorde-Agreement alle historisch bedingten Ansprüche. Einzige Ausnahme ist, wenn die Formel-1-Kommision zustimmt - und dieses Ja hatte sich Fernandes bereits vor einiger Zeit abgeholt. Die Auflösung des Namensgewirrs mit der Lotus-Gruppe sollte sich auch sonst positiv bemerkbar machen. "Wir haben einige gute Sponsoren und werden nächstes Jahr neue Sponsoren bekannt geben", kündigt Fernandes an. "Es wundert mich, dass wir trotz der ganzen Scheisse, die wir jetzt endlich hinter uns haben, doch ein paar Sponsoren gefunden haben. Viele Sponsoren, die bisher gezögert haben, kommen jetzt rein. Hoffentlich haben wir dann die finanziellen Ressourcen, um in der Startaufstellung nach vorne zu kommen."

Airbus-Millionen für neues Fernandes-Unternehmen?


Nicht nur, dass das Lotus/Caterham-Team nächstes Jahr über 20 Millionen Euro mehr Preisgeld als bisher einstreifen wird, könnte die am vergangenen Wochenende vorgestellte Caterham-Gruppe auch durch einen neuen Deal viel Geld verdienen. Potenzieller Kunde ist das Luftfahrtunternehmen Airbus. Allerdings nicht des Formel-1-Teams, das in die ehemalige Arrows-Fabrik nach Leafield übersiedeln wird, sondern der neuen Firma Caterham Composites, die in der derzeitigen Team-Lotus-Fabrik in Hingham bleiben wird. Geschäftsführer der Verbundstoffabteilung der neu gegründeten Caterham-Gruppe von Tony Fernandes ist Mike Gascoyne, der gleichzeitig weiterhin Technischer Direktor (genauer gesagt "Chief Technical Officer") des Grand-Prix-Rennstalls bleibt. "Mike und sein Team haben einige fantastische Innovationen für die Luftfahrtindustrie entwickelt", berichtet Fernandes. "Wir hoffen, diese zu kommerzialisieren. Airbus war vergangene Woche bei uns und zeigte sich sehr beeindruckt davon. Unser Hauptziel ist, das Rennauto schneller zu machen, aber das war eine Sache, mit der wir auch das Flugzeug leichter machen können, was wiederum eine Menge Treibstoff spart. Davon profitiert dann auch AirAsia." Fernandes ist bekanntlich schon seit Jahren in der Luftfahrtindustrie tätig und besitzt mit AirAsia seine eigene Airline. Ausserdem steht seine Beteiligung bei Malaysian Airlines kurz vor dem Abschluss - auch wenn sich die Verhandlungen in den vergangenen Wochen gespiesst haben, sodass er bei einigen Formel-1-Rennen fehlte. Diesen Sommer sorgte er zudem für Schlagzeilen, als AirAsia 200 Airbus-Maschinen kaufte - die grösste Flugzeugbestellung aller Zeiten.

29.11.2011