Alonso: "Die WM haben wir nicht auf der Rechnung"

Fernando Alonso ist sich im Klaren,

dass der WM-Titel unrealistisch ist

Der Ferrari-Pilot erklärt, warum er über das Podium in Valencia so glücklich ist, und wieso er es sich nicht erlaubt, an die Weltmeisterschaft zu denken.

Frage: Ein paar Runden lang hast du dich lediglich mit deinem Ferrari beschäftigt. Während des Grossteils der Runden bist du aber eng zusammen mit Mark Webber auf der Strecke gelegen. Du hattest mit Mark einen grossartigen Zweikampf.


Fernando Alonso: Ich denke, das war für alle Fans und die Leute am Fernseher ein interessantes Rennen, sich das gesamte Rennen über den Kampf mit Webber anzuschauen. Zu Beginn des Rennens lag ich hinter ihm, versuchte nicht allzu weit zurückzufallen und versuchte, einen Vorteil beim Boxenstopp zu erzielen und die Chance zu nutzen, ihn zu überholen. Diese Chance kam später zur Mitte des Rennens, aber auf der Strecke und nicht in den Boxen. Ich überholte ihn, als ich Kurve zwölf anbremste. In der Box leisteten sie erneut gute Arbeit und überholten uns. Beim letzten Boxenstopp denke ich, hat das Team eine sehr gute Strategie gewählt. Wir behielten das Auto auf den weichen Reifen ein paar Runden länger auf der Strecke als Red Bull. Und das Auto hat eine sehr gute Leistung gezeigt. Wir konnten ihn schlussendlich beim Stopp überholen. Mark und ich tauschen die Positionen, und schlussendlich ist der zweite Platz das Maximum, das wir an diesem Tag erzielen konnten. Es ist aus diesem Grund eine grossartige Leistung des Teams, zwischen den Red-Bull-Autos zu stehen. In Monaco haben wir das gesamte Wochenende über eine sehr gute Leistung gezeigt. Dort wurden wir Zweiter. Auch in Kanada zeigten wir eine sehr gute Leistung. Wir holten dort jedoch keinerlei Punkte. Hier hatten wir erneut in Bezug auf die Leistung ein sehr gutes Wochenende. Dass beide Autos in den Top 5 stehen, ist ein großartiges Teamergebnis. Wir bewegen uns also definitiv in die richtige Richtung. Wir müssen weiter arbeiten und beim kommenden Rennen diesen Jungs noch näher kommen.

Ferrari hat dir deine erste Podiumsplatzierung auf diesem Strassenkurs von Valencia beschert. Aber du wirst sicherlich hungrig auf weitere Platzierungen auf dem Podium sein, da bin ich mir sicher. Du wirst das Team unter Druck setzen mit deinem Willen, Rennen zu gewinnen.

Ja, definitiv. Wir wissen bei Ferrari alle, dass unsere Fans von uns erwarten, dass wir gewinnen. Im Moment befinden wir uns nicht in dieser Position, aber wir kommen ihr deutlich näher. In den ersten drei oder vier Rennen der Meisterschaft lagen wir im Qualifying im Durchschnitt 1,5 Sekunden hinter Red Bull zurück, nun beträgt der Durchschnitt sechs oder sieben Zehntelsekunden, wir haben also den Rückstand halbiert. Aber diese andere Hälfte existiert nach wie vor. Wir werden niemals aufhören zu arbeiten, bevor wir in Bezug auf die Leistung des Autos nicht die erste Position erzielt haben. Sie können also ruhig bleiben, unsere Anstrengungen werden immer hundertprozentig sein. Für mich ist es das erste Podium in Valencia. Mir hat diese Trophäe noch gefehlt. Zuhause habe ich Trophäen von allen Formel-1-Strecken mit der Ausnahme von Abu Dhabi und natürlich Indien, wo wir dieses Jahr fahren. Abu Dhabi und Indien werden nun natürlich das nächste Ziel sein, sodass ich meine Sammlung komplettieren kann.

Es ist grossartig zu hören, dass du so viel Befriedigung aus diesem zweiten Rang ziehst, besonders nach dem Glück, das du hier in den vergangenen Jahren hattest.

Ich denke, dass das Podium hier das Ziel war, und es war ein persönliches Ziel, hier in Valencia die Trophäe zu bekommen, den Champagner und die Feiern nach dem Rennen zu genießen. Das habe ich in den vergangenen Rennen hier vermisst. Wir hatten 2008 und 2009 mit Renault diese Möglichkeit nicht, und im vergangenen Jahr hatten wir angesichts der Safety-Car-Phasen und so weiter ein schwieriges Rennen. Endlich haben wir es mit einem normalen Rennen geschafft, auf dem Podium zu sein. Wir konnten dieses fantastische Wochenende feiern. Meiner Meinung nach war es für die Fans ein fantastisches Rennen, nicht nur hier an der Strecke. Ich denke, es gab das gesamte Wochenende über viele Veranstaltungen, Konzerte und solche Dinge. Die gesamte Stadt hat die Formel 1 auf sehr gute Art und Weise begrüßt. Die Leute genießen es, und dies ist das beste Ergebnis, das wir für sie erzielen können, für die spanischen Fans, die Unterstützer und natürlich werden wir weiter hart arbeiten, um hoffentlich bald ein Rennen zu gewinnen.

Du hast einen Red Bull geschlagen. Kannst du zwei schlagen?

Nun, ich denke, dass wir realistisch sein müssen in dem Wissen, dass unsere Geschwindigkeit nun noch nicht gut genug ist, um Rennen zu gewinnen oder auf der Pole-Position zu stehen. Aber es gibt einen klaren Trend, eine klare Richtung, die nach vorne zeigt, und wir haben mit dem Auto ein paar gute Schritte gemacht. Wir müssen Silverstone und den Nürburgring abwarten, Strecken, die eher wie normale Kurse sind, nicht nur aus Geraden und starken Bremsmanövern bestehen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir unsere Probleme verstanden haben. Wir hatten zu Beginn des Jahres Probleme mit dem Windkanal, wir wissen aus diesem Grund jetzt, dass alle Teile, die wir an das Auto montieren, alle Ideen, die wir haben, nun funktionieren. Das ist definitiv eine positive Sache. Was wir an der Strecke machen können - die Fahrer, Ingenieure und Mechaniker -, ist abzuliefern. Es geht darum, saubere Rennen ohne Fehler zu fahren, gute Starts hinzulegen und eine gute Strategie zu haben, wie wir sie heute gesehen haben. Ich weiss, dass es über die Strategie in China viel Kritik gegeben hat, dass wir auf die Intermediates wechselten und es dann regnete. Aber ich denke, dass dies eher Pech ist als eine falsche Strategie. In Bezug auf die Strategie haben wir heute sehr gut gearbeitet. Wir haben einen Red Bull am Ende überholt, und hoffentlich wird es morgen auch in den Zeitungen stehen.

Heute haben beide Ferrari einen grossartigen Start hingelegt...

Ja. Nun, ich war nicht 100 Prozent glücklich über meinen Start. Natürlich wussten wir, dass die falsche Seite der Startaufstellung ziemlich schlecht ist, also verlor ich Boden auf Felipe, der Fünfter war, und auch Jenson kam mir sehr nahe, also war ich Sechster. Ich denke, dass die ersten 100 Meter des Starts nicht sehr gut waren. Aber in der ersten Kurve schien dieses Mal jeder ziemlich früh gebremst zu haben, davon konnte ich profitieren.

Ich denke nicht, dass du über deine Rennen sehr glücklich bist, aber für viele Leute musst du in deinem Auto ein sehr gutes Rennen gehabt haben. Warum bist du heute nicht sehr glücklich? Das ist der Eindruck, den du hinterlässt.

Ich habe doch gesagt, dass ich sehr glücklich bin. Ich habe schon häufig wiederholt, dass dies ein sehr besonderes Podium ist. Ich habe auch zuvor gesagt, dass mir hier noch ein Podium gefehlt hat, auch in Abu Dhabi und Indien. Das hier kann ich nun abhaken, und hoffentlich kann ich auch in Abu Dhabi und in Indien ein Podium erzielen, sodass ich meine Sammlung aller Trophäen des Formel-1-Kalenders komplettieren kann. Definitiv war Valencia eines der speziellen Rennen. Es war toll, am Ende des Rennens bei der Feier dabei zu sein. Bisher ist es das beste Ergebnis des Jahres und das beste Podium des Jahres.

Hast du dir am Ende des Rennens Sorgen gemacht, als du auf die Medium-Reifen gewechselt bist? Du hättest da ja eine Position an Webber verlieren können, denn im Freien Training warst du mit ihnen deutlich langsamer?

Wir waren im Training natürlich auf dem weichen Reifen im Vergleich zum Medium-Reifen konkurrenzfähiger. Wir hatten ja schon gestern gesagt, dass wir versuchten, die Zeit auf dem härteren Reifen im Rennen zu minimieren, denn wir wussten, dass wir womöglich weniger konkurrenzfähig sein würden. Aber es war Zeit, an die Box zu kommen. Natürlich hatten wir im Vergleich zu ihm zwei oder drei zusätzliche Runden auf dem weichen Reifen, aber wenn du nicht an die Box kommst, dann verlierst du die Position. Wir mussten aus diesem Grund anhalten und in der ersten Kurve vor ihm sein. Dann geht das Spiel weiter. Du musst also hoffen, dass die Geschwindigkeit ausreichend ist. Ich denke, dass dies eine gute Überraschung war, wie das Auto im letzten Abschnitt Leistung gezeigt hat. Wir erwarteten jede Menge Ärger, viele Probleme mit dem Haftungsniveau. Fakt ist, dass unsere besten Runden im Rennen am Ende auf dem Medium-Reifen stattgefunden haben. Das ist für die kommenden Rennen also sehr ermutigend.

Du bist beim ersten Boxenstopp wieder hinter Mark gefallen, lag dies daran, dass ihr eine Runde zu lange gewartet habt? Es sah danach aus, als hättest du beim Rausfahren ein kleines Problem gehabt.

Wenn es einen Abstand von einer oder 1,5 Sekunden zwischen zwei Autos gibt, dann hat das Auto, das vorher stoppt, einen Vorteil, denn die gesamte Runde wird rund zwei Sekunden schneller sein. Als Mark stoppte, wussten wir natürlich, dass wir eine Runde später stoppen müssen. Aber unsere Chance, vor ihm zu sein, war nicht gross. Und ich denke auch, dass wir mit den zu Überrundenden viele Probleme hatten, Probleme mit dem Verkehr. Natürlich ist es nicht einfach, auf dieser Strecke andere Autos vorbei zulassen. Es gibt auf dieser langen Gerade zwei Mauern, welche nicht wirklich eine Gerade ist. Sie ist schon eine kleine Kurve. Ich denke, dass wir alle Zeit verloren haben. Vielleicht verlor ich im mittleren Teil des Rennens Zeit. Ich weiß, dass Mark am Ende mit einem der Hispania-Autos am Ende Zeit verlor. Am Ende des Rennens gleicht sich das alles aus, aber wenn du dich im Bereich der Boxenstopps befindest oder wenn es die Runde des Boxenstopps ist, dann ist das von sehr großer Bedeutung.

Du scheinst zwar mit deinem Ergebnis sehr glücklich zu sein, aber du liegst 99 Punkte hinter Sebastian Vettel. Wann wirst du aufhören, auf den Titel zu hoffen? Ist das schon der Fall?"

Wir müssen aus diesem Grund die Sache Rennen für Rennen angehen, versuchen, die Rennen zu gewinnen, zu denen wir kommen, und auf Fehler von Red Bull warten. Im Moment denke ich nicht, dass wir wirklich an die Meisterschaft denken können. Wir müssen einfach alles Rennen für Rennen angehen und schauen, was im letzten Teil der Saison passiert. Der Rückstand beträgt nun 99 Punkte, 100 oder wie viel auch immer. Das ist eine Menge, es liegt also nicht in unserer Hand. Wir sind im Moment eine Sekunde zurück, oder acht Zehntel zurück, wenn jemand also denkt, dass wir die Meisterschaft gewinnen können, wenn wir um acht Zehntelsekunden zurückliegen, dann vielleicht deswegen, weil er die Formel 1 nicht versteht.

Wir wissen, dass Ferrari mit ein paar Upgrades nach Silverstone kommen wird. Was ist die Hauptsache, die du vom Team erbittest, das, was du am meisten brauchst?

Aerodynamik. Ich denke nicht, dass es ein Geheimnis ist, an was es uns mangelt. Dieser Tage braucht man in der Formel 1 aerodynamische Leistung. Wir können auf Strecken, auf denen es nicht Hochgeschwindigkeitskurven mit starken Bremsmanövern auf den Geraden gibt, mehr oder weniger konkurrenzfähig sein. Die Reifen sind für alle dieselben, die Bremsen machen keinen Unterschied aus, die Motoren sind mehr oder weniger dieselben, KERS nutzen wir alle, also geht es um die Aerodynamik. Wie ich schon sagte, weiss dieser Tage jeder über unsere Probleme während des Winters Bescheid, und wir haben Teile an das Auto montiert, welche unser Auto nicht schneller gemacht haben, stattdessen langsamer. Und als wir dies realisierten, waren wir in Malaysia. Nun liegen wir ein paar Monate zurück.

26.6.2011