Monteverdi Hai

1970 stellte der Schweizer Peter Monteverdi den Monteverdi Hai 450 SS am Genfer Autosalon vor und verblüffte damit nicht nur die potentiellen Kunden, sondern auch die etablierte Konkurrenz. Was da auf dem Stand der erst dreijährigen Sportwagenmanufaktur Monteverdi thronte, war nichts weniger als ein Supersportwagen, der es mit der Elite der Besten – Lamborghini Miura, Ferrari Daytona, Aston Martin DBS V8 – aufnehmen konnte. Die versprochenen Fahrleistungen alleine schon liessen die Chefs der italienischen und englischen Sportwagenfirmen erblassen, den Sprint von 0 auf 100 km/h schaffte keiner der Konkurrenten in weniger als 5 Sekunden, die meisten nahmen sich mindestens ein bis zwei Sekunden mehr Zeit.

Allerdings kostete der Hai auch mehr als die versammelte Konkurrenz. Während der Ferrari 365 GTB/4 (Dayonta) für schlappe 63’000 Schweizer Franken zu haben war, der Maserati Indy 61900 Franken kostete und ein Aston-Martin DBS V8 das Bankkonto um 73’500 Franken leichter machten, verlangte Peter Monteverdi für seinen neuen Sportwagen zuerst 90’000, später 82’400 Franken.

Ein wilder Mix von Italien bis USA

Was hätte der Käufer für diese stolze Summe erhalten? Einen amerikanischen 7-Liter-Chrysler-V8-Motor, ein deutsches ZF-Getriebe, eine italienische bei Fissore gebaute Karosserie und eine Schweizer Endmontage. Ein eindrückliches und trotzdem durchaus funktionales Design. Aber auf jeden Fall eine Rakete mit Strassenzulassung.

Die Automobil-Revue haben den Spurt aus dem Stand bis 100 km/h gemessen: in sagenhaften 5 Sekunden schaffte ihn der Hai und nach 19,5 Sekunden waren 200 km/h erreicht. Ob die im Prospekt versprochenen 290 km/h erreichbar gewesen wären, konnte wegen einer zu kurzen Übersetzung nicht verifiziert werden. Mit 1750 kg war der getestete Hai aber wesentlich schwerer als die optimistische Angabe von 1290 kg in den Verkaufsunterlagen, unter anderem wegen der rund 600 kg Motor und Getriebe.

Showcar oder Produktionsfahrzeug?

Der Hai war um den riesigen Motor herum konstruiert worden, alles muss sich dem Antriebsstrang unterordnen, selber Fahrer und Beifahrer teilen ihre Kabine mit der Motorummantelung. Der Geräuschkulisse war entsprechend infernalisch, man hatte das Ohr sozusagen fast neben Vergasern und den Zylinder-/Kolben-Einheiten. Fertig entwickelt war der Hai 450 SS (das “SS” steht für Super Sport) 1970 sicher nicht.

Tatsächlich wurden insgesamt nur vier Monteverdi Hai gebaut, wovon zwei allerdings erst viel später entstanden. Damit wurde ein Fahrzeug mit viel Potential zum Showcar degradiert, wohl auch, weil Peter Monteverdi nicht daran glaubte, dass seine Kunden ein derart extremes Auto kaufen wollten. Um trotzdem den Eindruck einer Serie zu erzeugen, wurden die beiden produzierten Hai immer wieder leicht verändert, neu bemalt und teilweise sogar umbenannt (450 GTS statt 450 SS).

Eine gute Wertanlage?


Im Januar 2010 fand der zuerst gebaute Monteverdi Hai für rund 600’000 Schweizer Franken einen neuen Besitzer. Richtig Geld verdient hat aber wohl niemand mit diesem Auto, weder Hersteller, Händler, Besitzer oder Auktionshaus. Zu teuer der Unterhalt und die Restaurationen.

Der Erstbesitzer des ersten Hai nach Peter Monteverdi war übrigens ein Deutscher, später ging das Auto in die Vereinigten Staaten. 2006 gewann das Fahrzeug in Pebble Beach einen dritten Preis in der Klasse “Mittelmotor-Showcars, -Prototypen und Konzeptfahrzeuge”. Es ist zu hoffen, dass das Fahrzeug ab und zu auf der Strasse rollen darf und nicht in einem Museum Standschäden erleidet. Übrigens: Die Monteverdi-Sportwagen hatten kürzlich einen grossen Werbeauftritt – in einer Kampagne der Bank UBS.

Peter Monteverdi

Die Geschichte des Schweizers Peter Monteverdi aus Binningen in der Nähe von Basel ist die eines echten Automobil-Aficionados. Bereits in den 1950er Jahren wandelte er den familiären bodenständigen Kfz-Werkstattbetrieb in eine Markenvertretung für BMW, Ferrari und Lancia um. Doch damit nicht genug: Neben einigen über die Ortsgrenzen hinaus beachteten Karosseriearbeiten und Rennwagen-Prototypen brachte er auch britische Fahrzeuge der Marken Bentley, Jensen und Rolls-Royce unter die Eidgenossen. Mitte der 1960er Jahre verlor Monteverdi jedoch seine Ferrari-Vertriebslizenz. Für den Schweizer Anstoss genug, einen eigenen Weg zu gehen und es den Norditalienern zu zeigen. Auf seine Weise.

Der Auftakt schien verheissungsvoll: Auf dem Genfer Salon 1970 war der Monteverdi Hai 450SS der Star der Show. Paul Berger, Monteverdis (lebens-)Partner und jetziger Leiter des Monteverdi Museums, erinnert sich: «Der Wagen war unser Durchbruch. Die Presse umlagerte unseren Stand und an den folgenden Tagen war der Hai auf allen Titelblättern.» Ursächlich hierfür waren gleichermassen Design und Leistungsvermögen. Bei dem als Mittelmotor verbauten Aggregat handelte es sich um den Chrysler V8 „Hemi“, der so hiess, weil er hemisphärische Brennräume aufwies. Der 7,0-Liter Motor leistete in der amerikanischen Werksausrüstung 450 SAE PS, was der Hai in seiner Typbezeichnung aufgriff. Gebremst wurde mit Stoppern von ATE. Hinten kam eine DeDion Achse zum Einsatz, welche an ein spezielles Getriebe von ZF anflanschte. Im Messetrubel verkündete Peter Monteverdi atemberaubende Fahrleistungen: Über 290 km/h sollte der Hai laufen und in knapp unter fünf Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h sprinten. In Anbetracht der bissigen Form glaubte die Presse ihm aufs Wort, oder besser auf die Zahl, und übernahm die Leistungswerte zumeist kritiklos.

Der Autobauer aus Binningen war jedoch auch ein extremer Exzentriker und Choleriker. So konnte es durchaus passieren, dass Monteverdi, der auch einen Viertürer im Programm hatte, einem Interessenten, der durchaus über das notwendige Kleingeld verfügte, um sich einen dieser Luxusschlitten zu kaufen und sich dafür um eine Probefahrt bei Monteverdi bemühte, kurz und barsch erklärte: «Einen Monteverdi kauft man und fährt ihn nicht zur Probe!» Cholerische Wutausbrüche und exzentrisches Verhalten Monteverdis waren auch die Begleitumstände, mit denen das von Monteverdi vom seinerseitigen Rennstall «Onyx» übernommene Formel-1-Team konfrontiert wurde. Der Schweizer Gregor Foitek und der Finne J.J. Lehto fuhren für den erfolglosen Monteverdi-Formel1-Rennstall.