De la Rosa: Totgesagte leben länger

Nicht totzukriegen: Pedro de la Rosa

feiert bereits sein viertes Comeback

Nach einer enttäuschenden Saison 2002 bei Jaguar schien die Karriere von Pedro de la Rosa schon beendet. In jenem Winter hätte kaum jemand darauf gewettet, dass der sympathische Spanier noch einmal in die Formel 1 zurückkehren würde - geschweige denn 2011 im Alter von 40 Jahren noch immer dabei sein würde. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger.

Selbst für gut informierte Paddock-Journalisten kamen die ersten Bilder vom zweiten Freien Training in Montreal überraschend, als plötzlich ein Sauber mit der spanischen Flagge und einem De-la-Rosa-Sticker gezeigt wurde. Hintergrund: Sergio Perez fühlte sich zu Mittag nicht gut, spürte - für Aussenstehende völlig unerwartet - die Nachwirkungen seines Qualifying-Unfalls in Monte Carlo. Also galt es binnen kürzester Zeit Ersatz zu finden.

Genesungswünsche in Richtung Perez

Der McLaren-Testfahrer hat eigenen Angaben nach erst "zehn Minuten vor Beginn der Session" von seinem erneuten (vierten) Comeback erfahren: "Das war mit Sicherheit die späteste Nominierung meiner ganzen Karriere! Ich bin aber sehr froh darüber, dass mich McLaren freigegeben und Sauber an mich gedacht hat, als es darum ging, Sergio zu ersetzen, dem ich auf diesem Weg übrigens eine rasche Genesung wünschen möchte." Doch man darf sich fragen: Wenn die Entscheidung erst zehn Minuten vorher getroffen wurde, warum hatte Sauber dann einen Aufkleber mit seinem Namen parat? Offenbar wurde de la Rosa doch schon während der Woche kontaktiert: "Mir wurde gesagt, dass eine ganz kleine Chance besteht, falls sich Sergio nicht wohl fühlen sollte, das stimmt", gibt er zu. "Doch damit hätte ich nicht gerechnet, denn Sergio schien wirklich fit zu sein. Also habe ich mir keine Hoffnungen gemacht."

Definitiv war es aber "ganz ehrlich" erst um 13:50 Uhr Ortszeit in Montreal. "Monisha (Kaltenborn, Sauber-Geschäftsführerin;) kam zum McLaren-Motorhome. Danach ging es bang, bang, bang", schmunzelt de la Rosa. Der McLaren-Testfahrer schlüpfte in seinen McLaren-Overall, zog seinen McLaren-Helm über, liess seine McLaren-Ohrstöpsel ans Sauber-Funksystem anpassen und studierte die Funktionen des für ihn neuen Lenkrads.

Stressige Minuten in der Box

Gleichzeitig passten die Ingenieure auch noch die Pedale für ihn an ("Ein Kompromiss") und er hatte den FIA-Test zu bestehen, wonach jeder Fahrer das Cockpit innerhalb von fünf Sekunden verlassen können muss. Zum Glück hatte Sauber aus dem Vorjahr noch einen auf den Spanier angepassten Sitz dabei. De la Rosa: "Als ich einmal fahren konnte, wurde es entspannter, aber davor war es eine Menge Information in einer Stunde! Für mich ist das eine Chance", sagt er. "Ich weiss, dass ich mit den ganzen Knöpfen in diesen modernen Autos viel lernen muss, denn sie befinden sich an ganz anderen Positionen, als ich es gewöhnt bin. Heute hatte ich Probleme mit den Pedalen, aber was das Team in knapp einer Stunde geschafft hat, ist aussergewöhnlich. Einen Fahrer in einer Stunde in ein Auto einzupassen, bei diesen komplexen Systemen, das ist unglaublich."

Das Montreal-Wochenende nimmt er nun ohne Druck, aber "mit einem Lächeln im Gesicht. Das ist eine Chance, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ich will solide Arbeit abliefern, auf heute aufbauen", kündigt er an. "Hoffentlich sind meine Reaktionen morgen schon instinktiver, hoffentlich muss ich dann nicht mehr darüber nachdenken, welchen Knopf ich jetzt wofür drücken muss. Ich freue mich einfach und bin mir sicher, dass ich das hinbekomme."

Noch keine Erfahrung mit KERS und DRS

Am schwersten fällt ihm der Umgang mit den neuen Systemen wie KERS und DRS: "Es geht darum, das Maximum aus KERS und DRS herauszuholen. Das ist für mich der Punkt, in dem ich noch am meisten lernen muss. Ich kann diese Knöpfe noch nicht hundertprozentig nutzen", gesteht der Routinier. Die Pirelli-Reifen ist er dieses Jahr auch noch nicht gefahren, doch die kennt er zumindest aus seiner Zeit als Pirelli-Testpilot nach seinem Sauber-Rausschmiss im vergangenen Jahr.

Der Blick auf die Zeitentabelle war nebensächlich: De la Rosa war am Freitag die Nummer 22 unter insgesamt 27 Fahrern, hatte dreieinhalb Sekunden Rückstand auf Fernando Alonsos Bestzeit. Allerdings drehte er auch nur 14 Runden - weniger als alle anderen. "Es waren ja nur ein paar Runden. Ich fuhr raus, rote Flagge, musste wieder rein", schildert er die turbulente letzte halbe Stunde, die seine einzige Chance war, den neuen Sauber kennenzulernen.

Immerhin ist de la Rosa mit kurzfristigen Comebacks schon gut vertraut: 2005 durfte er in Bahrain nur bei McLaren einspringen, weil der erste Ersatzfahrer Alexander Wurz noch nicht in den neuen Silberpfeil passte; 2006 übernahm er das Cockpit von Juan Pablo Montoya dann für acht Rennen. 2010 feierte er bei Sauber ein Full-Time-Comeback, das jedoch in Monza nach einer Unterredung mit Monisha Kaltenborn beendet wurde. Dieser Kreis wurde gestern geschlossen.

11.6.2011