Monisha Kaltenborn: Wiener Charme in Hinwil

Monisha Kaltenborn und Peter Sauber

Beide Fahrer hatten sich bei ihrer Vertragsverlängerung ausdrücklich für das Vertrauen bedankt - nicht nur bei Teamchef Peter Sauber, sondern auch bei Monisha Kaltenborn. Die Österreicherin ist seit Jänner 2010 als Geschäftsführerin beim Schweizer Formel-1-Team Sauber tätig und geniesst in dieser Rolle hohes Ansehen in der Königsklasse des Motorsports. Dabei bekleidet die 40-Jährige als erste Frau eine derartige Position.

Das grosse Karriereziel war eine Führungsposition in der Formel 1 für die Wienerin nicht gewesen. "Es ist einfach passiert", erklärte Kaltenborn vor dem Grand Prix von Ungarn in Budapest. Die studierte Juristin, deren Eltern noch in ihrer Kindheit aus Indien nach Wien ausgewandert waren, war bereits seit 1998 in der Rechtsabteilung von Sauber tätig gewesen. "Der Schritt war nicht mehr so gross", meinte Kaltenborn. "Manche sind in einer öffentlich exponierteren Position, manche weniger. Die Verantwortung ist der grösste Unterschied." Mittlerweile trägt die zweifache Mutter die operative Gesamtverantwortung für das Team. Besitzer Peter Sauber vertraut seiner langjährigen Mitarbeiterin fast blind, wenngleich in sportlichen Belangen er selbst die letztinstanzlichen Entscheidungen trifft.

Ihre Rolle als erste Frau in einer Männerdomäne möchte Kaltenborn nicht überbewerten. Das eigene Ego dem Teamgedanken unterordnen zu können, sei aber eine zutiefst weibliche Fähigkeit. "Als Frau denkt man ein bisschen anders", meinte die Sauber-Chefin. "Man behält gerne den Überblick. Und man ist bereit, im Sinne von etwas Grösserem immer wieder die eigene Position zu überdenken." Ernst genommen wird sie von den Formel-1-Granden dennoch - und speziell von den Sauber-Piloten Kamui Kobayashi und Sergio Perez für ihre Offenheit geschätzt. "Man kann mit ihr immer sehr gute Gespräche führen", versicherte Kobayashi, der nicht nur in Japan als möglicher Star der Zukunft gehandelt wird. "Sie ist sehr offen. Wenn ich Fehler mache, sagt sie mir das aber auch ziemlich deutlich."

Unterstützung der Familie

Kaltenborns Sohn ist neun, ihre Tochter sechs Jahre alt. Neben ihrem Mann, einem deutschen Rechtsanwalt, und einem Kindermädchen kommt während der Rennen hin und wieder auch die Mutter aus Wien in die Schweiz, um bei der Erziehung zu helfen. "Ohne die Unterstützung der Familie würde es nicht gehen", betonte die gebürtige Inderin. "Aber ich könnte mir beruflich derzeit nichts anderes vorstellen. Es ist eine faszinierende Tätigkeit." In einer Anwaltskanzlei hatte sie schon nach ihrem Jus-Studium in Wien nicht längerfristig arbeiten wollen. "Es war gut, dass ich so etwas einmal von innen gesehen habe. Aber mein Ziel war immer die Wirtschaft", erklärte Kaltenborn. Und damit gar nicht die Formel 1. "In die bin ich eher zufällig hineingerutscht." Mittlerweile möchte sie ihr Metier mit keinem anderen mehr tauschen. "Es ist eine Kombination mehrerer Elemente: Geschäft, High-Tech und schlussendlich auch Sport, der mit Emotionen verbunden ist."

In diesem will Kaltenborn mit ihrem Team noch viel erreichen. Die Infrastruktur im Werk in Hinwil sei dank der Investitionen von Ex-Partner BMW mit allen Topteams vergleichbar, lediglich die mangelnden finanziellen Mittel würden eine volle Ausschöpfung des Potenzials derzeit verhindern. Grosse Hoffnungen setzt Sauber in eine korrekte Umsetzung des Resource Reduction Agreements, in dem sich die Rennställe zur Kostenreduktion verpflichtet haben. "Das Mittelfeld reicht uns nicht", betonte Kaltenborn. "Wir sehen uns schon weiter vorne." Ehrgeizig ist sie schon immer gewesen - auch damals, als sie bis zu ihrem achten Lebensjahr als Monisha Narang in der indischen Provinzhauptstadt Dehradun im Himalaya-Gebiet aufgewachsen war und Astronautin werden wollte. Mittlerweile sitzt sie als erste Frau an den Kommandoständen der Formel 1.

21.8.2011