Sauber: Frentzen hatte mehr Talent als Schumacher

Peter Sauber finanzierte Michael Schumachers

Formel-1-Einstieg

Peter Sauber hat Michael Schumacher den Sprung in die Formel 1 ermöglicht. Dafür hat der 67 Jahre alte Schweizer, der heute noch einen eigenen Rennstall in der Königsklasse leitet, damals sogar 150.000 Pfund an Eddie Jordan bezahlt. Als Dank, das berichtet Sauber im Interview, erhielt er viel später von dem heutigen Rekordweltmeister einen Helm. Will man etwas erfahren über die Entwicklung Schumachers, der am nächsten Wochenende in Spa auf 20 Jahre Formel 1 zurückblicken kann, ist Sauber einer der kompetentesten Ansprechpartner.

Frage: Herr Sauber, am Wochenende in Spa kann Michael Schumacher auf 20 Jahre in der Formel 1 zurückblicken. Sie waren praktisch sein Wegbereiter ...

Peter Sauber: Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein Waisenkind. Aber natürlich werde ich nun vor dem Rennen in Spa immer wieder befragt, wie das genau war mit Michaels erstem Formel-1-Rennen für Jordan. Dabei wusste nicht einmal Michael bis zu seinem Rücktritt, wie das Ganze entstanden ist.

Wie ist es denn entstanden?

Michael fuhr für uns neben Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger im Junior-Team von Sauber-Mercedes in der Sportwagen-WM. Der Plan war damals, dass Sauber 1993 gemeinsam mit Mercedes in die Formel 1 einsteigen würde. Also war es ganz normal, dass wir Michael sein erstes Rennen ermöglicht haben, indem wir für ihn bei Eddie Jordan den geforderten Betrag bezahlt haben.

Wie hoch war die Summe denn?


150.000 Pfund, zur damaligen Zeit 390.000 Schweizer Franken. Das war schon ein hübsches Sümmchen für einen einzigen Grand Prix.

Hat Schumacher Ihnen das irgendwann zurückgezahlt?

Das musste er nicht. Er stand bei uns unter Vertrag, und wir sind damals davon ausgegangen, dass wir irgendwann zusammen in die Formel 1 rücken. Das ist letztlich daran gescheitert, dass Mercedes nicht als Werksteam eingestiegen ist. Und so konnten wir Schumacher dann auch nicht halten.

Hat er sich denn bei Ihnen bedankt für die Starthilfe?

Er war offenbar sehr überrascht, als er bei seinem Abschiedsrennen 2006 in Brasilien von diesem Umständen hörte. Er hat mir daraufhin einen Helm geschickt. Mehr erwarte ich auch nicht. Michael hat seinen Weg dadurch gemacht, dass er sehr schnell war.

Sie gelten als einer der besten und erfolgreichsten Talentförderer im Motorsport. Wieso hat ausgerechnet Michael Schumacher diese grosse Karriere gemacht? Hatte er das grösste Talent, oder war er der härteste Arbeiter?

Speed allein reicht nicht. Frentzen zum Beispiel hatte ähnlich viel Talent, vielleicht sogar ein wenig mehr. Aber Michael war ein harter Arbeiter, sehr ehrgeizig, mental stark und physisch immer auf den Punkt vorbereitet. Deshalb war schon früh erkennbar, dass da ein besonderes Talent heranwächst.

Sie kennen ihn, seit er 20 ist. Welche Erinnerungen haben Sie an den jungen Michael Schumacher?

Er war schon schüchtern, so wie Wendlinger und Frentzen auch. 1989 sind wir mit den Dreien zu einem Test gefahren, und er war ganz überrascht, dass er ein eigenes Zimmer hatte. Er war fest davon ausgegangen, sich eines mit den Kollegen zu teilen.

War Schumacher jemand, der auch am Abend gerne mal mit den Kollegen zusammensass, oder galt für ihn immer nur die Fokussierung auf das nächste Rennen?

Vor allem Michael und Karl Wendlinger waren damals wirklich noch sehr jung. Aber ich erinnere mich, dass sie sich vernünftig aufgeführt haben. Michael war immer sehr darauf bedacht, dass er topfit ist.

22 Jahre später sind Sie beide wieder im selben Fahrerlager vereint. Wie hat sich Schumacher Ihrer Meinung nach verändert?

Die Kontakte sind seltener geworden, aber ich empfinde ihn als ausgeglichener, lockerer, entspannter. Mein Eindruck ist, dass er seine nicht so einfache Situation sehr gut meistert.

Das verwirrt einige Beobachter, weil es unvereinbar scheint mit seinem grossen Ehrgeiz. Was sagen Sie zu den ständigen Gerüchten über ein baldiges Karriereende?

An diesen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Im nächsten Jahr wird er sicher noch fahren, es entspricht seinem Naturell, dass er Verträge erfüllt. Was danach kommt, ist nicht absehbar. Es hätte auch niemand gedacht, dass er irgendwann ein Comeback feiert.

Wie sehr hat Sie dieser Schritt damals überrascht?

Sehr natürlich. Seine Gründe haben uns alle nicht zu interessieren. Aber noch heute sage ich: Michael ist eine Bereicherung für die Formel 1, auch wenn er nicht um Siege kämpft.

Dafür führt er im Mittelfeld viele verbissene Zweikämpfe mit ihren Piloten Sergio Pérez und Kamui Kobayashi. Hätten Sie das je für möglich gehalten, ein Michael Schumacher im Mittelfeld?

Das liegt sicher eher am Auto als an Michael.

Halten Sie es für möglich, dass sich der Kreis irgendwann schliesst und Michael Schumacher eines Tages im Sauber in der Formel 1 fährt?

Das glaube ich nicht, das kann ich mir nicht vorstellen.

Dennoch abschliessend: Ist Michael Schumacher der beste Fahrer der Geschichte?

Solche Vergleiche von Fahrern verschiedener Epochen mag ich grundsätzlich nicht, aber in jedem Fall war er der erfolgreichste. Um ein grosser Fahrer zu sein, braucht man Talent, mentale Stärke, technische Verständnis und Physis. Und wenn man in allen Punkten nahezu 100 Prozent nimmt, bekommt man den Michael Schumacher, der sieben WM-Titel gewonnen hat.

22.8.2011