Sauber: Jetzt spricht der Chef

Peter Sauber

Peter Sauber zieht in seiner Sonntags-Blick-Kolumne Bilanz. Der Teamchef wagt nach den ersten vier Rennen eine Prognose.

Ich bin kein Freund von vorschnellen Analysen und Prognosen, aber nach vier Rennen auf sehr unterschiedlichen Strecken ist eine Zwischenbilanz für unser Team möglich. Auf einen einfachen Nenner gebracht lautet das Verdikt: Zuverlässigkeit und Performance gut, Effizienz verbesserungswürdig.

Wenn ich über die ersten vier Grands Prix spreche, dann komme ich nicht umhin, nochmals auf den Ausschluss in Melbourne einzugehen. Keine Frage: Die zehn Punkte, die wir in Australien verloren haben, schmerzen sehr. Vor allem verfälschen sie das Bild: Anstelle von acht Punkten, die wir nun auf dem Konto haben, wären es 18. Dann wären wir näher an Mercedes dran, und wir hätten auch ein deutlich dickeres Polster auf Toro Rosso, Force India und Williams, das einen sehr harzigen Start in die Saison hatte.

Beim aktuellen Punktestand kann ein einziges verrücktes Rennen alles auf den Kopf stellen. Deshalb ist es für uns zwingend nötig, keine Punkte mehr auf der Strasse liegen zu lassen. Positiv ist, dass wir bei allen bisherigen Rennen in der Lage waren, aus eigener Kraft in die Punkte zu fahren. Das ist die Basis, um uns weiter zu verbessern.

Unsere grösste Schwäche ist bisher das Qualifying. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Dass wir in den Rennen so stark sind, hat viel damit zu tun, dass unser Auto sehr schonend mit den Reifen umgeht. Aber auch diese Medaille hat zwei Seiten.

Unsere Piloten tun sich nämlich schwer, die Reifen auf einer einzelnen schnellen Runde optimal zum Arbeiten zu bringen. Daran müssen wir arbeiten. Und ich bin überzeugt, dass wir durchaus noch Raum nach oben haben. Es ist die Aufgabe der Ingenieure, das gemeinsam mit den Piloten zu analysieren und zu verbessern. Man darf dabei nicht vergessen, dass Istanbul erst das vierte Rennen mit den Pirelli-Reifen war und wir uns immer noch in einem grossen Lernprozess befinden.

Eines dürfen wir auf gar keinen Fall: Unsere Stärke im Rennen einer guten Performance in der Qualifikation opfern. Denn durch die neuen, rasch abbauenden Reifen und die verstellbaren Heckflügel, hat sich die Balance in diesem Jahr ganz deutlich verschoben: Eine gute Leistung im Rennen ist deutlich wichtiger als die Jagd nach den besten Startplätzen. Ich bin überzeugt, dass unsere Ingenieure beim Design des Sauber C30-Ferrari die Prioritäten richtig gesetzt haben.

Das Rennen in dieser Woche in Barcelona erwarte ich mit grosser Spannung. Denn fast alle Teams bringen Entwicklungspakete für ihre Autos. Einige Konkurrenten hatten die neuen Teile bereits in Istanbul getestet, aber nicht alle haben sie auch im GP eingesetzt. Deshalb wird Spanien zum Massstab.

Auch wir werden dort ein sehr umfangreiches Entwicklungspaket am Auto haben, das eine ganze Reihe von Aerodynamikteilen sowie vor allem den neuen Auspuff umfasst. Das wird enorm spannend, handelt es sich doch dabei um ein extrem komplexes System, das allerdings sehr viel bringen kann. Wenn es dann auch optimal funktioniert.

Das tut es bei Red Bull. Das Team dominiert beinahe nach Belieben, auch dank den enorm starken Leistungen von Sebastian Vettel. Natürlich kann im Laufe einer Saison eine Menge geschehen, aber die Verfolger sind auf jeden Fall gefordert und müssen schnell nachlegen – wenn sie den Rückstand verkleinern wollen.

Quelle: SonntagsBLICK

16.5.2011