Sauber: Marionette von Ferrari ?

Big Brother is watching you:

Der Bewegungsspielraum Saubers ist begrenzt

In der letzten Zeit haben sich die Abhängigkeits-Verhältnisse in der Formel 1 wieder einmal offenbart. Im Zwischengas-Streit bezog der Schweizer Sauber-Rennstall an der Seite von Ferrari-Position und kämpfte bis zum Schluss vehement gegen den Willen der anderen Rennställe für ein Verbot. Der Hintergrund: Sauber bezieht sein Triebwerk von den Roten aus Maranello und ist damit vertraglich an Ferrari gebunden - hätte man gegen die "Scuderia" Stellung bezogen, hätte man sich aus diplomatischer Sicht einen Bärendienst erwiesen.

Noch eklatanter zeigt sich die Abhängigkeit bei Williams. Der britische Traditions-Rennstall war es, der ursprünglich gemeinsam mit Motorenlieferant Cosworth die von Red Bull und Renault optimierte Zwischengas-Lösung bei FIA-Rennleiter Charlie Whiting untersuchen liess. "Wir setzten uns mit Cosworth zusammen und fragten, ob sie das hinkriegen", erinnert sich Adam Parr und spielt auf die Kopie der Renault-Technologie an. "Sie sagten ja, und dann fragte Patrick (Head, Anm.), ob es überhaupt legal sei." Daraufhin beantragte man bei Whiting eine Klarstellung des Reglements: "Sehr rasch erhielten wir die Antwort, dass es nicht legal ist." Aus diesem Grund verwarf man bei Cosworth - auch aus Kostengründen - die Pläne, an Zwischengas-Motormappings zu arbeiten. Doch Williams vollzog einen Seitenwechsel, als man bekanntgab, ab 2012 statt Cosworth mit Renault zusammenzuarbeiten. Das unter anderem von Williams ins Rollen gebrachte Zwischengas-Verbot wurde ab sofort nicht mehr unterstützt, sondern bekämpft.

Williams vollzieht taktische 180-Grad-Wendung

Zuletzt zeigte man im Gegensatz zu Ferrari und Sauber auch keinen Widerstand und unterschrieb das Abkommen, wieder auf das Valencia-Reglement zurückzurüsten, auch wenn dies für Williams aus sportlicher Sicht einen eklatanten Nachteil bedeutet. Im Nachhinein beteuert Parr ausserdem, dass man den Antrag auf eine Untersuchung der Zwischengas-Lösung auf seine Legalität nicht eingebracht hatte, um sich einen Vorteil zu verschaffen: "Wir wollten nur wissen, ob etwas legal ist oder nicht, bevor wir viel Geld dafür ausgeben, das wir eigentlich nicht haben." Dass man später aus taktischen Gründen auf die Renault-Seite wechselte, will Parr nicht zugeben. Für Formel-1-Experte Marc Surer ist die Situation aber klar, wie er gegenüber 'ServusTV' betont: "Williams stimmt nicht dagegen, obwohl sie das Ganze eigentlich ausgelöst haben. Warum? Weil sie nächstes Jahr einen Renault-Motor fahren. Da können sie nicht gegen die eigene Firma stimmen. Es gibt immer Verbindungen in der Formel 1. Das war schon immer so."

Williams-Mitbesitzer Christian "Toto" Wolff gibt sich diesbezüglich gegenüber 'ServusTV' diplomatisch, dementiert aber Surers These nicht: "Renault ist ein Partner von uns, nicht nur ein Motorenlieferant. Das muss man sagen. Hoffentlich wird Renault wieder ein langjähriger Partner. Bei Renault geht es um die Weltmeisterschaft. Das ist ein wichtiges Thema. So hat Renault dann die Teamleitung überreden und überzeugen können."

Einzige Chance der Hinterbänkler?

Wenn man das Formel-1-Fahrerlager untersucht, fällt auf, dass das gesamte Feld von Abhängigkeits-Verhältnissen durchzogen ist: Red Bull hat seit neuestem nicht nur bei seinen zwei Teams, sondern auch bei Lotus, wo das Red-Bull-Getriebe verwendet wird, und bei HRT seine Finger im Spiel. Im spanischen Rennstall fährt mit Daniel Ricciardo nun ein Red-Bull-Junior. "Es war schon interessant, dass HRT bei der Abstimmung zugestimmt hat, obwohl sie ein kleines unabhängiges Team sind", ortet Surer auch hier eine Auffälligkeit, zumal das spanische Team ebenfalls auf Cosworth-Aggregate zurückgreift und vor einigen Monaten gegen die Rennställe mit abgasangeblasenem Diffusor Protest einlegen wollte.

Force India ist seit einiger Zeit an McLaren (Getriebe) und Mercedes (Motor) gekoppelt - kein Wunder, dass dort Paul di Resta seine ersten Formel-1-Gehversuche macht. McLaren gab kürzlich eine technische Partnerschaft mit dem kleinen Marussia-Virgin-Rennstall bekannt. Die Truppe fristet seit dem Einstieg im Vorjahr am Ende der Startaufstellung ein Schattendasein - wegen mangelnder Fortschritte kündigte man sogar Technikchef Nick Wirth. Kein Wunder, dass sich das Team von Timo Glock nun viel von der Zusammenarbeit mit dem Topteam verspricht. Neben Geld könnte man auch politische Unterstützung als Gegenleistung für das Know-how anbieten.

Wollf: Cleverness zählt

"Diese Diskussionen hat es immer gegeben, um sich einen Vorteil zu verschaffen", weiss Toto Wolff. Er glaubt, dass nicht nur das Geld, sondern vor allem kluge Schachzüge und Innovationen über Sieg oder Niederlage entscheiden. "Am Ende des Tages hat es auch immer die Aufteilung gegeben, es gab private Teams mit weniger Ressourcen, Werksteams mit mehr Ressourcen und private Teams wie McLaren, die auch mehr Ressourcen hatten, weil sie es sehr clever gemacht haben."

"Ich glaube, man muss einfach clever sein. Man muss investieren. Man muss Erfolge herausfahren, dann gewinnt man Sponsorenpartner und auch den richtigen Fahrer für das Auto. Und dann ist man erfolgreich. Das können auch kleinere Teams. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass sich bei Lotus, HRT und Marussia-Virgin das eine oder andere entwickeln und dass man dann vorne mitfahren wird." Seilschaften zwischen den unterschiedlichen Teams nützen aber auch den grossen Rennställen - vor allem in politischen Richtungsentscheidungen, wo jede Stimme zählt. "Dass man mit solchen Deals Stimmen für sich buchen kann, ist klar", weiß Surer. "Das fängt mit den Motoren an. Wenn einer Ferrari-Motoren fährt, wird er nicht gegen Ferrari stimmen. Wenn einer Mercedes-Motoren fährt, wird er nicht gegen Mercedes stimmen. So kauft man sich natürlich auch ein bisschen seine Gegner, respektive seine Stimmen und Freunde."

Wie Seilschaften die WM entscheiden können

Wie weit diese Seilschaften gehen können, zeigen die haarsträubenden Aussagen von Ex-Sauber-Pilot Norberto Fontana. Der Argentinier, der es nur auf vier Formel-1-Einsätze brachte, sorgte vor ein paar Jahren für Aufruhr, als er behauptete, dass Ex-Ferrari-Teamchef Jean Todt Fontanas Sauber-Rennstall beim Saisonfinale in Jerez angeordnet hatte, Michael Schumachers Rivalen Jacques Villeneuve zu behindern. "Wir sassen im Motorhome, es waren noch zwei oder drei Stunden bis zum Rennen", schilderte Fontana. "Dann kam Jean Todt herein. Er sagte: 'Es ist eine strikte Anweisung von Ferrari, dass Villeneuve blockiert werden muss, wenn er hinter euch auf der Strecke auftaucht!'" Angeblich soll der Franzose sogar angedeutet haben, dass man auch gegen eine Berührung nichts einzuwenden hätte. Im WM-Finale hielt Fontana Villeneuve dann tatsächlich drei, vier Kurven lang auf, ohne dem Kanadier allerdings entscheidend Schaden zuzufügen. Der Rest ist Geschichte.

14.7.2011