FIA-Pressekonferenz der Teamfunktionäre in Spa

Die Teamfunktionäre der Formel 1

in der FIA-Pressekonferenz

In der offiziellen Pressekonferenz der FIA stellten sich am Freitagabend die Teamfunktionäre Ross Brawn (Mercedes), Andrew Green (Force India), Paul Hembery (Pirelli), Christian Horner (Red Bull), Paddy Lowe (McLaren) und Luca Marmorini (Ferrari) den Fragen der Journalisten. Im belgischen Spa-Francorchamps ging es dabei unter anderem um die Wiedereinführung der Testfahrten, das DRS-Verbot in der Eau Rouge und um kuriose Auspuff-Konstruktionen mit Decknamen "Dudelsack".

Frage: Andrew, dein Teamchef Vijay Mallya meint, dass euer Fahrzeug nun zu allen Strecken passt. Ein interessanter Kommentar. Wir wissen ja, wie gut das Auto speziell auf Kursen mit wenig Abtrieb zurechtkommt. Was war nötig, um den Rennwagen auch auf andere Strecken anzupassen?

Andrew Green: Ich weiss nicht, ob ich das preisgeben soll. Als ich begann, gab es meiner Meinung nach definitiv einen gewissen Fokus auf hohe Geschwindigkeiten und eine Konfiguration für wenig Abtrieb. Auf den entsprechenden Strecken wie Monza und Spa zeigte das Fahrzeug, was es leisten kann. Leider besteht die Saison halt nicht nur aus Monzas und Spas, also müssen wir überall konkurrenzfähig sein. Jetzt haben wir in meinen Augen ein Auto, das mit allen Setups eine gute Leistung zeigt, was Strecken für mittleren und niedrigen Abtrieb miteinschliesst. Wir sind ziemlich zufrieden mit der Entwicklung des Fahrzeugs und den Veränderungen, die wir in den vergangenen Monaten daran vorgenommen haben. Wir freuen uns auf die Schlussphase des Jahres.

Das Auto verfügt nun also im Prinzip über mehr Abtrieb und hat viel Arbeit im Windkanal hinter sich...

Green: Wir verrichten immer sehr viel Arbeit im Windkanal. Das ist ein unaufhörlicher Prozess, der nur im Sommer für zwei Wochen ruht. Ja, in diesem Auto steckt viel harte Arbeit und eine grundlegende Veränderung in der Philosophie. Das war die grosse Sache. So etwas braucht aber halt seine Zeit, bis es greift. Es ist, wie wenn man ein grosses Schiff lenkt. Du nimmst eine Kurskorrektur vor, doch es braucht gewisse Zeit, bis sich diese auch auf der Strecke bemerkbar machen.

Seid ihr demnach zuversichtlich, was die restliche Saison anbelangt?

Green: Ja, ziemlich. Wir erwarten, dass sich unsere beiden Fahrzeuge im weiteren Verlauf des Jahres stets in den Top 10 qualifizieren. Es gibt keinen Grund, weshalb das nicht so sein sollte. Das ist unser Ziel. Wir werden versuchen, den grossen Jungs so gut wie möglich auf die Pelle zu rücken und weiterhin Punkte zu sammeln. Wir wollen unsere Leistung in Zähler ummünzen. Genau dies ist das Ziel für die weiteren Rennen dieser Saison.

Paddy, dein Pressesprecher hat eine interessante Beobachtung gemacht: Jedes Mal, wenn du in der Pressekonferenz sitzt, scheint dein Team anschliessend zu gewinnen...

Paddy Lowe: Ja, das passierte in diesem Jahr nun schon zwei Mal. Beim ersten Mal wurde ich gefragt, ob 2011 noch irgendjemand sonst ein Rennen gewinnen würde. Zu diesem Zeitpunkt siegte Red Bull in jedem Grand Prix. Ich sagte, dass noch mindestens zwei weitere Rennställe Rennen gewinnen würden. An diesem Sonntag siegten wir. Ich hoffe, das ist ein gutes Omen. Hoffentlich können wir an diesem Wochenende ein ähnliches Ergebnis einfahren.

Die beiden jüngsten Rennen gingen an McLaren. Könnt ihr diesen Rhythmus beibehalten? Was ist nötig, um an diese Serie anzuknüpfen?

Lowe: Nun, wie wir alle wissen, geht es an der Spitze sehr konkurrenzfähig zu. Wir tragen ein enges Duell mit Red Bull und Ferrari aus. Es geht darum, diesen einen kleinen Vorteil in Qualifikation und Rennen zu finden. Ich denke, wir wären schon zufrieden damit, wenn beide Autos zugleich eine gute Leistung abrufen könnten. Wir wollen in die ersten Startreihe und dann beide Fahrer auf dem Podest sehen. Das ist unser nächstes Ziel. Von den vergangenen fünf Rennen haben wir drei gewonnen. Diese Richtung wollen wir beibehalten.

In der Sommerpause musste die Fabrik für zwei Wochen geschlossen bleiben. Wie viel Arbeit konntet ihr seit dem vergangenen Grand Prix in Ungarn verrichten?

Lowe: Tatsächlich steht die Zeit für zwei Wochen lang still. Es ist fast, als würden wir unseren normalen Zwei-Wochen-Rhythmus beibehalten. In dieser Hinsicht lief es gewissermaßen normal. Wir haben an diesem Wochenende diverse Updates am Auto. Das ist etwas Schönes an der Sommerpause und der Fabrikschließung: Es ist tatsächlich so, wie es sich anhört, denn die Zeit steht still. Du kehrst zurück und es ist so, als hättest du niemals pausiert. Alle hatten eine Pause und gehen erfrischt erneut zuwerke.

Luca, gewisse Arbeiten dürfen am Motor vorgenommen werden, gewisse Arbeiten auch nicht. Inwieweit orientieren sich deine Aufgaben bereits an der neuen Saison? Wie viele Veränderungen könnt ihr dahingehend vornehmen? Wie sehr beschäftigt ihr euch schon jetzt mit 2014?

Luca Marmorini: Bei uns ist einiges los, wobei der Fokus klar auf diesem und nicht dem kommendem Jahr liegt. Uns ist klar: Es gibt nicht viele Möglichkeiten, die Motoren in Bezug auf die Hardware zu verbessern. In diesem Jahr ging es auf Seiten der Motoren aber ohnehin in erster Linie darum, die aerodynamische Entwicklung zu unterstützen, wie jeder weiss. Wir werden weiterhin an der Entwicklung für 2011 arbeiten und uns auch auf 2012 vorbereiten. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich tatsächlich schon mit der Entwicklung eines Motors für 2014. Es scheint noch lange hinzu sein, doch die Regeln stellen eine große Herausforderung dar, sodass auch viel Zeit vonnöten ist. Wir arbeiten intensiv daran. Im kommenden Jahr wird der erste Motorenprototyp laufen.

Sprechen wir über den Grossen Preis von Belgien. Kimi Räikkönen siegte 2009 für Ferrari in Spa und hatte damals offensichtlich einen guten Motor. Hier stehen die Piloten für rund 24 Sekunden am Stück voll auf dem Gas. Ist Spa eine gute Strecke für Ferrari?


Marmorini: Ich denke, unsere Entwicklungsrate ist in diesem Jahr recht gut. In den vergangenen Rennen konnten wir es mit McLaren und Red Bull aufnehmen und waren mehrfach nahe am Sieg dran. Ich würde sagen, wir leisteten gute Arbeit und können auch hier um den Sieg kämpfen.

Paul, sprechen wir über die harten Reifen. Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge? Viele Fahrer nutzten diese Mischung meist nur einmal pro Rennen...

Paul Hembery: Ja. Ich denke, dieses Thema muss man im Kontext der mittleren Mischung sehen. Eben diese Reifenvariante legte genug Haltbarkeit an den Tag, dass wir sogar darüber nachdenken, diese Mischung im kommenden Jahr als harte Option anzubieten. Bei der jetzigen harten Pneumischung hatten einige Teams gewisse Probleme damit, sie zum Arbeiten zu bringen. Wenn die mittlere Variante so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, sollte uns das genau mit den Abständen versorgen, die wir brauchen.

Was passiert mit den Reifen, wenn sie nicht genutzt werden? Kommen sie auf den Müll? Habt ihr ein grosses Arsenal davon in eurer Fabrik in der Türkei?

Hembery: Nun, wir bauen kein grosses Lager auf. Eines unserer Probleme ist, dass wir am Ende eines Rennwochenendes ziemlich viele ungenutzte Reifen haben. Pro Team ist mindestens ein harter Reifensatz übrig. Wir schauten uns aus diesem Grund diverse Möglichkeiten an, diese Reifen am Wochenende zum Einsatz zu bringen. Es macht natürlich keinen Sinn, Pneus auf die Felge zu montieren, sie wieder herunterzunehmen und anschließend zu zerstückeln. Darüber sprachen wir auch schon mit der Sportlichen Arbeitsgruppe. Wir wollen eine Möglichkeit finden, auch diese Reifensätze zu nutzen. Erstmals dachten wir darüber nach, als die Teams die Überlegung hatten, in der Qualifikation ganz auf diese Pneus zu verzichten, um sich in Q3 einen frischen Reifensatz aufzusparen. Wir dachten darüber nach, ob wir nicht die Anzahl der Sorten verändern sollten. Wir könnten sechs härtere und fünf weichere Reifensätze anbieten und auch die Regel ändern, welche Pneus nach dem ersten Freien Training zurückzugeben sind. Damit würden die Teams mit ungleich vielen Reifensätzen in die Qualifikation gehen und nicht mit drei weichen und drei härteren, wie es jetzt der Fall ist. Stattdessen wären es vier und zwei. Das würde das Risiko minimieren, dass manche Leute in Q3 auf den Einsatz der härteren Reifen verzichten. Das war aber ohnehin nur bei sehr wenigen Teams der Fall. Man könnte ja auch die Regeln verändern und dafür sorgen, dass die Leute in Q3 fahren müssen. Unterm Strich bleiben damit aber immer noch ein paar Reifen übrig. Wir müssen wohl noch einmal mit der Sportlichen Arbeitsgruppe reden und überlegen, wie wir diese am besten zum Einsatz bringen könnten. Im Moment sieht die Lage aus wie folgt: Entweder wir reduzieren unser Angebot um einen Reifensatz, denn wir haben zu viele Pneus. Oder wir finden eine Möglichkeit, wie wir eben diese Reifen am Wochenende verwenden können.

Demnach scheinen die Regeln für 2012 noch nicht in Stein gemeisselt zu sein. Ist das der Fall? Welche Anregungen erhaltet ihr für das kommende Jahr?

Hembery: Ich würde nicht sagen, dass sie nicht in Stein gemeisselt sind. Im Augenblick sind sie fixiert. Sie sind die gleichen wie in diesem Jahr. Wie man sich vorstellen kann, ist das eine durchaus komplexe Geschichte. Wenn du einen Vorschlag machst, dann haben unterschiedliche Teams eine unterschiedliche Sichtweise der Dinge. Es kommt halt darauf an, wo du dich in der Hackordnung befindest. Im Augenblick haben wir vom Rennstart an einige Reifensätze, die nicht genutzt werden. Wir würden gerne eine Möglichkeit finden, die den Teams gestattet, eben diese Pneus im Verlauf eines Wochenendes zum Einsatz zu bringen. Das ist der Punkt.

Ross, das Team denkt, der W02 würde gut zu dieser Strecke passen. Autos mit wenig Abtrieb passen meist gut zu Strecken, auf denen wenig Abtrieb gefordert ist. Ich sage aber nicht, dass es sich bei eurem Fahrzeug so verhält. Warum sollte euer Rennwagen aber so gut zu Spa passen?

Ross Brawn: Ich denke, wir haben einen sehr guten Motor. Es ist ein gutes Triebwerk. Es hat sich hier in der Vergangenheit als erfolgreich bewiesen, was immer eine grosse Hilfe ist. Wenn die Autos entwickelt werden, haben sie immer eine spezielle Fähigkeit, wo sie in ihrem Optimum arbeiten. Wir gehen davon aus, dass diese Strecke genau diese besondere Stärke zum Vorschein bringen wird. Es handelt sich um eine sehr fordernde Piste. Verschärft wird das an diesem Wochenende durch das wechselnde Wetter. Die Wahl der Abtriebsmenge wird eine wichtige Entscheidung sein. In einem Rennen, das bei Mischbedingungen ausgetragen wird, möchtest du schließlich möglichst viel Abtrieb haben. Viel Abtrieb ist in einem trockenen Rennen allerdings ziemlich hinderlich. Wie wahrscheinlich auch die anderen Teams, so haben wir ein bisschen mit den unterschiedlichen Abtriebsniveaus herumgespielt, welche uns die kleinen Wetterfenster boten. Sobald wir eine Wettervorhersage für den Sonntag haben, werden wir eine Entscheidung treffen. Aktuell ist die Qualifikation nicht derart entscheidend, sodass der Fokus aller Teams vermutlich mehr auf der richtigen Lösung für den Sonntag liegt. Man sorgt sich bestimmt nicht so sehr um den Samstag, der bei einer nassen Qualifikation und bei einem trockenen Rennen durchaus... ein optimales Setup für einen nassen Samstag wäre auf jeden Fall nicht das beste Setup für einen trockenen Sonntag.

Denkst du, dass die Strecken Spa und Monza rein technisch die besten für euer Auto sein werden? Einmal unabhängig von der Wetterlage...

Brawn: Nun ja, ich möchte keinen allzu grossen Wirbel darum machen. Meiner Meinung nach sind das aber die Strecken, auf denen wir recht gut aussehen sollten. Wir haben einen Abstand zu den drei Topteams und sind nicht, wo wir sein wollen. Ich gehe daher nicht davon aus, dass wir in diesem Jahr noch sehr viel an Boden gutmachen können. Es steht aber noch einiges an Arbeit aus, denn wir müssen zur nächsten Saison einen Schritt machen. Unsere Balance zwischen der Arbeit für 2011 und für 2012 verändert sich mit dem weiteren Fortschreiten dieser Saison. Das ist aber wohl bei den meisten Teams der Fall. In diesem Rennjahr werden wir noch ein paar Dinge bringen, doch diese beiden Strecken mögen wir, unsere Fahrer mögen sie. Es handelt sich um Kurse, auf denen ich mit meinen jeweiligen Teams schon immer gut war. Ich mag diese Rennen.

Christian, Mark Webber meint, die Dominanz von Sebastian Vettel, die er zu Saisonbeginn gezeigt hat, sei beendet. Stimmst du zu?

Christian Horner: Wenn man die bisherigen elf Rennen hernimmt und sechs Siege, vier zweite Plätze und einen vierten Platz sieht, dann sind das keine schlechten Ergebnisse. Das Ziel des Teams ist, weiterhin solche Resultate zu erzielen. Ferrari und McLaren waren aber sehr konkurrenzfähig, und das nicht nur in den jüngsten Rennen. Diese Saison war in vielerlei Hinsicht trügerisch. Wir haben das Maximum aus unseren Möglichkeiten gemacht und unsere Absicht ist, dies auch in den restlichen acht Rennen zu tun. Uns ist klar: Die beiden nächsten Events zählten schon immer zu unseren schwächsten Strecken, was unser Paket angeht. Auf diesen Kursen kommt es speziell auf die Leistung des Motors an. Wir freuen uns trotzdem auf die noch ausstehenden acht Rennen. Wir wollen attackieren - und zwar genau so, wie schon in den bisherigen elf Rennen.

Red Bull scheint einen sehr kleinen Heckflügel zu fahren, wie am Nachmittag im Nassen. Mark war speziell im Trockenen sehr schnell unterwegs. Ist das ein Teil der schwierigen Balance in diesen Wetterbedingungen oder war das schon eine Sache für Monza?

Horner: Die Balance, die wir meiner Meinung nach anstreben, ist, dass wir auf der Geraden möglichst nahe an gewisse Motoren herankommen müssen. Das können wir schaffen, indem wir weniger Flügel fahren und damit weniger Abtrieb genieren. Das war heute sichtbar. Wir werden uns die Daten über Nacht anschauen und überlegen, welches Abtriebsniveau wir für den Rest des Wochenendes ansetzen werden. Die Wettervorhersage war wahrscheinlich etwas besser als zunächst angenommen und es ist auch untypisch warm. Im Augenblick scheint sich das Wetter im weiteren Verlauf des Wochenendes zu bessern. Wie wir aber alle wissen, verändern sich die Verhältnisse hier sehr schnell.

Kannst du nach der Sommerpause eine Veränderung bei deinen Fahrern ausmachen?

Horner: Beide hatten gute Pausen. Sie nahmen die Möglichkeit wahr, um ihre Akkus aufzuladen. Sofern man das Hinauffahren von Alpe d'Huez mit Alain Prost auf einem Straßenfahrrad als Gelegenheit zählt, seine Akkus aufzuladen. Mark tat dies. Ich denke, es ist eine gute Sache für das gesamte Team. Die ganze Mannschaft kam erfrischter wieder zusammen. Es ist eine gute Sache für die Formel 1. Die Saison ist so anstrengend, weil sie vom 1. Januar bis zum Ungarn-Rennen dauert. Ich bin mir sicher: Alle Teams gaben Vollgas. Bei uns war das nicht anders. Es war eine wohlverdiente Ruhepause für alle Teammitglieder. Die reisende Zunft konnte etwas Zeit mit ihren Familien verbringen, Freizeit haben und entspannt wieder zum Showdown dieser Saison zurückkehren.

Paddy, kannst du etwas zum DRS- (verstellbarer-Heckflügel) Verbot in der Eau Rouge sagen und warum es notwendig ist, das DRS in manchen Kurven zu verbieten? Zeigt dies, dass es im Prinzip ein nicht sicheres System ist und dass es eigentlich überhaupt nicht verwendet werden sollte?

Lowe: Ich denke, das wäre eine sehr extreme Sichtweise. Ich halte diese Maßnahme für sehr sinnvoll. Es ist eine extreme Kurve. Alles an einem Rennauto birgt gewisse Risiken. Eine der Aufgaben von FIA und Teams ist es, gemeinsam mit der Technischen Arbeitsgruppe dafür zu sorgen, die optimale Balance zwischen dem sportlichen Interesse und der generellen Sicherheit zu finden. Das hier ausgesprochene Verbot dient der Balance des Risikos, denn es könnte grosse Unfälle geben, wenn ein Flügel dort ein Fehlverhalten aufweisen würde.

Einige Zahlen zeigen, dass die Fahrzeuge am Ausgang der Eau Rouge um 1 g leichter werden. Wie würde dieser Effekt aussehen, wenn der verstellbare Heckflügel in diesem Bereich nutzbar wäre?


Lowe: Das haben wir nicht berechnet. Es ist aber eines dieser Dinge, an denen das Auto ziemlich am Limit ist. Wenn DRS in diesem Sektor erlaubt sein würde oder wenn man durch Ausprobieren feststellen könnte, wie man den verstellbaren Heckflügel dort anzuwenden hätte, dann würden die Fahrer das Folgende tun. Sie würden nach dem Limit suchen - und das bedeutet, dass es dann keinen Raum für Fehler mehr gibt. Würde sich der Flügel beispielsweise etwas zu langsam öffnen oder außerplanmäßig aktiviert werden, könnten die Piloten die Kontrolle verlieren. Ich denke, es nimmt dem Spektakel nichts weg. Das war die Intention hinter diesem System. Ich bin ganz klar für diese Einschränkung.

Auf dieser Strecke gibt es viele schnelle Kurven wie Pouhon oder Blanchimont. Warum dachte man nicht darüber nach, DRS in diesen Ecken ebenfalls zu verbieten?

Lowe: Bei dieser speziellen Einschränkung waren wir nicht eingebunden. Ich denke, es ging darum, dass es sich bei der Eau Rouge um eine Kurve handelt, die voll genommen wird. Es hätte eine große Versuchung bestanden, das Limit mit dem Einsatz von DRS zu finden. In einer normalen Kurve finden die Fahrer hingegen das Limit, indem sie wieder auf das Gas steigen. Es ist eine Frage der Balance. Es gibt keine richtige oder falsche Antwort. Keine Ahnung, was meine Nebensitzer über diese Sache denken. Es handelt sich um eine der extremsten Kurven im Kalender der Formel 1. Es ist wahrscheinlich eine gute Idee, das Experimentelle aus dieser Gleichung zu streichen.

DRS wurde aufgrund des Kurvenausgangs verboten. Es geht also auch um das Tempo, mit dem die Fahrer in der Eau Rouge ankommen und nicht nur darum, dass DRS durch diese Passage hindurch aktiv wäre. Tatsache ist: Die Piloten würden deutlich schneller dort ankommen und genau dieser Punkt musste ebenfalls in Betracht gezogen werden.

Lowe: Es ist eine Kurve, in der du nicht viel ausrichten kannst, wenn du in Schwierigkeiten gerätst. In einigen der anderen Passagen, die bereits angesprochen wurden, gehst du indes einfach vom Gas oder nimmst Tempo heraus, um das Auto wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Eau Rouge ist eine Kurve, in der ich keinen Fehler haben wollte. Diesen kannst du normal nämlich nicht mehr wettmachen. DRS ist nicht nur ein System zur Reduzierung des Abtriebs, es verändert auch die Balance des Autos, weil es die Heckpartie betrifft. Ich halte es für ein gutes System und moderat eingesetzt tut es nicht weh. Wenn es sinnvoll angewendet wird, haben wir dadurch in diesem Jahr ein sehr interessantes Feature. Für mich ist es vollkommen positiv.

Horner: Diese Herren haben es sehr gut zusammengefasst, denke ich. Wenn du jemals durch diese Kurve gefahren bist, was ich vor langer Zeit getan habe, dann kannst du dir nichts Schlimmeres vorstellen, als deinen Heckflügel auf der Anfahrt zu öffnen. Gleichwohl muss man sagen: 2010 fuhren die Piloten einhändig durch diese Kurve und hatten eine Hand auf dem F-Schacht. Das Verbot ist eine kluge Sache. Wie Ross schon sagte: Es verändert die Geschwindigkeit am Kurveneingang so sehr wie nichts sonst. Wenn du einen Unfall hast, dann willst du ihn sicherlich nicht an dieser Stelle haben. Wenn du DRS in manchen der anderen schnellen Kurven wie Pouhon oder dergleichen einsetzt, dann hast du dort viel Auslauf. Gerät dein Auto an diesem Hügel ausser Kontrolle, hast du hingegen ein Problem.
Frage: "Paul, sprechen wir über die Qualifikations-Reifen, die in die Formel 1 zurückkehren könnten. Wie steht man dieser Idee bislang gegenüber? Vielleicht könnten auch die anderen Anwesenden etwas dazu sagen?"
Eine Frage an Ross, Paddy und Andy: Im Sommer gab es Gerüchte, wonach Mercedes in Brixworth an einem Auspuffmodell arbeitete, das den Namen 'Bagpipe' (Dudelsack) trägt. Dieses System soll den Druck nach dem Auspuff vervielfältigen. Werden wir etwas dergleichen in Zukunft an den Autos sehen?

Brawn: Diese Geschichte ist mir neu, tut mir Leid. Das mag bei jemand Anderem geschehen sein, aber nicht bei uns. Vielleicht weiß Paddy eine Antwort darauf?

Lowe: Auch mir ist diese Geschichte unbekannt. Wir haben sicherlich nichts, das mir bekannt ist, was 'Dudelsack' heisst. Vielleicht handelt es sich um etwas Anderes.

Brawn: Möglicherweise ist es das System, das ihr zu Saisonbeginn hattet, Paddy. Es sah wie ein 'Dudelsack' aus. Vielleicht ist es also ein altes Thema.

Lowe: Das, was man den 'Oktopus' nannte?

Green: Wir können es uns nicht leisten, Auspuffsysteme zu entwickeln.

Wir hörten von den Vorschlägen, Testfahrten während der Saison wieder in beschränktem Masse zuzulassen. Was denkt ihr darüber?

Horner: Dieses Thema wurde mit den Teammanagern diskutiert und da der provisorische Kalender nun vorhanden ist, sprachen wir eher darüber als über... alle Teams wollen unbedingt vermeiden, dass erneut Testteams eingeführt werden. Gegenwärtig geht es darum, zu überlegen, ob man das Ausmaß der Wintertests um eine Woche reduzieren könnte, um einen Test während des Jahres zu haben. Den Young-Driver-Test könnte man ebenfalls zu einem Test während der Saison umfunktionieren. Das steht zur Debatte innerhalb der Gruppe der Teammanager.

Brawn: Ich denke, Christian nannte einen wichtigen Punkt: Der Knackpunkt ist nämlich, dass wir nicht wieder neue Testteams haben wollen. Was auch immer wir tun wollen, wir müssen es mit den Leuten stemmen, die wir haben. Dabei müssen wir auch innerhalb der Vorgaben des Ressourcen-Restriktions-Abkommens (RRA) und der anderen Vorschriften bleiben. Wir müssen sicherstellen, dass wir das erreichen können. Der Kalender für 2012 schafft die idealen Voraussetzungen, um zum Beispiel einen Test vor dem Europaauftakt oder kurz danach zu haben. Das würde für alle prima passen. Man könnte einige Fehler aussortieren, die es in den ersten Rennen zweifelsohne geben wird.

Hembery: Wir stimmen zu: Eine Testwoche während der Saison wäre einfach fantastisch. Es kommt halt darauf an, wohin die Reise geht. Wir würden es vorziehen, wenigstens auf einer Referenzstrecke zu fahren. Das wäre sehr nützlich, wenn man nur an die Reifen denkt. Uns würde das helfen.

Ross, du und Norbert Haug stelltet euch dieser Tage demonstrativ hinter Michael Schumacher und dessen Fähigkeiten, wieder Rennen zu gewinnen. Ich weiss nicht, ob ihr damit vertraut seid, doch in den vergangenen 43 Saisons gelang es nur drei Fahrern über 40, einen Grand Prix zu gewinnen - jeweils einen. Haltet ihr das nicht für einen stichhaltigen Beweis, dass die Formel 1 ein Spielplatz für junge Männer - oder zumindest für Jungs unter 40 Jahren - ist?

Brawn: Ich muss eine Gegenfrage stellen: Wie viele Fahrer haben sieben WM-Titel gewonnen? Er ist ein aussergewöhnlicher Pilot. Unser Optimismus und unser Ehrgeiz basiert darauf, dass er ein besonderer Fahrer ist. Ich denke, dieser Optimismus ist wohlbegründet. Aktuell sehen wir einige tolle Fahrmanöver. Wir haben nicht das Auto, um damit unseren Fahrern gerecht zu werden. Sobald wir dies auf der Reihe haben, werdet ihr schon die entsprechenden Ergebnisse sehen.

Kommen wir noch einmal auf die Testdebatte zu sprechen: Denkt man auch darüber nach, zum Beispiel am Montag nach einem Rennen einen Testtag abzuhalten, so wie das in der MotoGP vor sich geht?


Horner: Meiner Meinung nach wurden viele Varianten angesprochen und diskutiert. Eine der möglichen Optionen ist, nach einer Veranstaltung vor Ort zu bleiben. Vielleicht wäre es nicht gleich am Montag, aber so, wie wir in diesem Jahr mit dem Young-Driver-Test verfahren - nach einem freien Tag. Die Autos müssen natürlich neu aufgebaut werden und dann dazu in der Lage sein, mit dem gleichen Personal noch eine weitere Woche zu laufen. Wir wollen ja kein Testteam mehr haben. Wir denken also darüber nach und es könnte im kommenden Jahr eingeführt werden.

27.8.2011