Horner: "Dieses Ergebnis ist keine Katastrophe"

Christian Horner

konnte dieses Mal keinen Sieg seines Red-Bull-Teams bejubeln

Statt nach vorne ging es für Red Bull am Nürburgring nur zurück: Weder Mark Webber noch Sebastian Vettel konnten ihre Startpositionen beim Großen Preis von Deutschland ummünzen, sondern mussten sich hinter Lewis Hamilton (McLaren) und Fernando Alonso (Ferrari) auf den Plätzen einsortieren. Für Red-Bull-Teamchef Christian Horner bedeuten die Ränge drei und vier aber keine Niederlage. Der Brite kann sich angesichts der Umstände gut mit dem Ergebnis arrangieren.

Frage: Christian, Mark Webber sagte, Red Bull wäre einfach nicht schnell genug gewesen...


Christian Horner: Nun, ich denke, man konnte sehen, dass es im Rennen einige Höhen und Tiefen gab. Wir hatten keinen guten Start erwischt, denn Mark verlor seine Position an Lewis. Beim Stopp versuchten wir, die Konkurrenz zu unterbieten. Das gelang und Mark kam wieder gut auf die Strecke zurück. Er konnte einen kleinen Vorsprung aufbauen, ehe Lewis wieder aufholte. Wir entschieden uns dazu, noch einmal weiche Reifen aufzuziehen und das gleiche Spielchen noch einmal zu versuchen. Leider brachten wir die Pneus im ersten Sektor des Nürburgrings nicht ganz so rasch auf Temperatur wie McLaren und Ferrari. Es wurde daher sehr eng mit Lewis und auch mit Fernando. Lewis ging sehr aggressiv zu Werke und schnappte sich Mark, der auf den Randstein hinausmusste. Damit verloren wir etwas an Boden. Im dritten Stint war Mark nicht so sehr zufrieden mit seinen Reifen. Das war jener Satz, der ihm schon in der Qualifikation nicht besonders behagt hatte. Diese Pneus hatten schon etwas mehr Kilometer auf dem Buckel, kamen zum Schluss aber noch einmal zurück. Es hatte den Anschein, als dass alle versuchten, möglichst kurz mit der härteren Mischung zu fahren. So schlecht war dieser Reifentyp unterm Strich aber gar nicht. Platz drei für Mark, der von der Pole-Position aus losgefahren war, ist nicht ideal. Es ist allerdings auch keine Katastrophe. Zu Sebastian: Sein Dreher zu Beginn des Rennens zerstörte seinen Reifensatz. Er holte sich einige größere Bremsplatten, doch ein Boxenstopp hätte ihn zu diesem Zeitpunkt massiv zurückgeworfen. Wir versuchten daher, seinen Stint maximal auszudehnen - so weit wir es uns eben trauten. Dann holten wir ihn herein. Den Rest des Rennens verbrachte er zumeist damit, sich das Getriebe am Ferrari von Felipe Massa anzuschauen. Für ihn kam es letztendlich auf den letzten Boxenstopp an und der Druck war entsprechend gross. Die Jungs zogen durch, was sie trainiert hatten. Der Reifenwechsel war klasse und Sebastian holte zwei Punkte mehr. Mit den Plätzen drei und vier verlassen wir den Nürburgring nicht allzu enttäuscht. Wir konnten unsere Führung bei den Konstrukteuren ausbauen und Sebastian büßte nur drei Punkte in der Fahrerwertung ein.

Sebastian bekam einmal die Nachricht per Funk, genau das Gegenteil von dem zu tun, was Massa tun würde. Kam diese Nachricht zu spät bei ihm an?

Solche Funksprüche werden nicht live gesendet. Es gibt immer eine gewisse Verzögerung.

Weshalb kam er dann nicht herein?

Das ist eine gute Frage. Es ist vollkommen klar: Beide hatten nicht mehr viel Zeit und so kam es zu einem regelrechten Shoot-Out zwischen unseren Jungs und Ferrari - in der Boxengasse.

Dieser Boxenstopp schien in Rekordzeit vonstatten gegangen zu sein. Man munkelt, es seien 1,8 Sekunden Standzeit gewesen...

1,8 Sekunden wären wahrscheinlich ein neuer Weltrekord. Ob es so schnell war, weiss ich nicht. Sicher ist: Es war ein toller Stopp - und das unter großem Druck. Ich bin sehr stolz auf die Leistung unserer Jungs. Sie müssen die Herzen in der Hose gehabt haben, denn sie wussten: Es ist die letzte Runde und es ist ein direktes Duell zwischen ihnen und Ferrari - und die Rivalen fuhren auch noch vor uns. Der Boxenstopp war aber perfekt. Das zeigt einfach nur, wie stark das Team ist.

Welcher Art waren die Bremsprobleme bei Sebastian und viel kostete ihn das?

Hinten links stieg die Temperatur etwas zu sehr an. Nach seinem Dreher sorgten die Bremsplatten für grosse Vibrationen im Auto. Wir hatten die Situation um Kimi Räikkönen vor ein paar Jahren im Hinterkopf, dessen Fahrzeug infolge dessen zerbrach, fuhren wir in diesem Stint nur so lange, wie wir es vertreten konnten, ehe wir ihm neue Reifen mit auf den Weg gaben. Sein Tempo in der zweiten Rennhälfte war aber recht gut. Die Bremsen stabilisierten sich dann wieder.

Sebastian zeigte bisher eine absolut herausragende Leistung. Ist dieses Wochenende nur eine Art Ausrutscher bei ihm?

Nun, in den vorangegangenen Rennen war er entweder Erster oder Zweiter. Ein vierter Platz - und damit kein Rang auf dem Treppchen - ist alles andere als eine Katastrophe. Diese zwölf Punkte sind sehr wertvoll für ihn. Ich bin mir sicher, dass er sich etwas mehr für seinen Heimevent erhofft hatte. So unwohl wie an diesem Wochenende fühlte er sich in dieser Saison wahrscheinlich noch nicht. Schon 2009 war der Nürburgring nicht die beste Strecke für ihn. In einer Woche wird er aber deutlich stärker zurückkehren. Da bin ich mir sicher.

Mark sprach in der Pressekonferenz über die Unterschiede zwischen dem Tempo in der Qualifikation und dem Renntrimm...

Man lernt immer dazu, denke ich. Wir hatten hier sehr spezielle Bedingungen. Zum Teil war es vielleicht sogar kühler als bei den Wintertests. Vor zwei Wochen hatte McLaren massive Probleme mit den Reifen. Der Schlüssel zur Leistung ist, die Pneus zu verstehen und sie maximal auszunutzen. Red Bull war in dieser Hinsicht sehr konstant, was die ersten zehn Rennen angeht. Bei anderen Teams gab es indes Höhen und Tiefen. Wir ziehen sicherlich einige Lehren aus diesem Grand Prix. Das nächste Rennen findet dann wahrscheinlich bei anderen Verhältnissen statt. In Ungarn wird es möglicherweise um 20 Grad Celsius wärmer sein. Du lernst immer dazu, weil du ja auch vorankommen willst. Red Bull fuhr in diesem Jahr allerdings stets konstant an der Spitze.

Ist die Konkurrenz nun näher dran an Red Bull? Könnt ihr das spüren?

Ich würde sagen: Sie sind in diesem Jahr näher dran, doch sie wechseln sich in der Rolle der Verfolger ab. Vergessen wir nicht: Lewis war schon im ersten Rennen nicht allzu weit weg. Bisher war auf jeden Fall entweder McLaren oder Ferrari direkt hinter uns - nicht alle beide. Das Team hat sich gut entwickelt und wir operieren auf einem sehr starken Niveau. Aus diesem Grund gelang es uns, derart gute Ergebnisse einzufahren. Ich bin mir sicher: Wir werden weiterhin Höhen und Tiefen erleben. Hoffentlich können wir nur eine konstante Leistung zeigen. In der Fabrik arbeiten alle mit Nachdruck daran und bringen neue Teile an den Start. Im Augenblick befinden wir uns mitten im Entwicklungsrennen.

Besteht die Möglichkeit, dass Ferrari und McLaren zum Überholmanöver ansetzen und Red Bull für den Rest der Saison hinter sich lassen?

In Valencia war McLaren etwas weiter zurück und Ferrari etwas weiter vorne. Beides sind tolle Teams und machen viel Druck. Bislang kamen wir mit jeder Strecke im Kalender zurecht und standen jedes Mal auf der Pole-Position. Bei sechs von zehn Rennen trugen wir den Sieg davon und nahmen stets an der Siegerehrung teil. Dieses Ergebnis ist keine Katastrophe, aber eine Erinnerung daran, dass wir nicht nachlassen dürfen. Das ist auch nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Alle geben Vollgas.

25.7.2011