Senna erwartet schwieriges Qualifying

Bruno Senna will sich Schritt für Schritt

ans Limit des Renault R31 vortasten

Renault-Pilot Bruno Senna verlor im ersten Freien Training zum Grand Prix von Italien in Monza noch sieben Zehntelsekunden auf seinen Teamkollegen Witali Petrow. In der zweiten Session am Freitagnachmittag klassierte sich der Brasilianer nach Fortschritten in puncto Setup als Zehnter knapp vor dem Russen.

Im Interview spricht Senna über seine Herangehensweise an seinem zweiten Wochenende als Stammfahrer im Team, über den Druck von aussen, die Herausforderungen im Qualifying und seinen Lernprozess in Vorbereitung auf das Rennen am Sonntag.

Frage: Bruno, das war heute ein teurer Tag für dich oder?

Bruno Senna: Ja, leider hat der Geschwindigkeitsbegrenzer in der Boxengasse nicht funktioniert, weil ich im dritten anstatt im zweiten Gang unterwegs war. Ich war etwas verwirrt und habe dafür eine Strafe kassiert.

Abgesehen davon war es sicherlich ein guter Tag für dich, du lagst im Ergebnis des Nachmittags vor deinem Teamkollegen Witali Petrow.


Ich feile nach wie vor an meinem Fahrstil. Heute war ich nicht besonders konstant. Ich habe es heute Schritt für Schritt angehen lassen und wollte auf keinen Fall zu viel riskieren, denn Streckenzeit ist hier sehr wichtig. Für morgen haben wir noch einiges an Arbeit vor uns, aber das Potenzial des Autos ist auf jeden Fall vielversprechend.

Was meinst du genau, wenn du sagst, dass du heute nicht besonders konstant unterwegs warst?

Das bedeutet, dass die Finesse noch nicht da ist. Ich habe nach wie vor noch etwas Rost in den Knochen, da ich lange Zeit nicht gefahren bin. Ich muss das Auto und die Reifen noch besser verstehen lernen. Mir gelingen zwar hin und wieder richtig schnelle Runden, aber mein Ziel muss es sein, dass jede Runde richtig schnell ist. Grundsätzlich war es für mich heute ein positiver Tag. Gleichzeitig bin ich noch nicht bei 100 Prozent meiner Leistungsfähigkeit angelangt.

In puncto Topseed sieht Renault hier sehr gut aus. Glaubst du, dass Monza daher eine Strecke sein wird, auf der ihr am Sonntag glänzen könnt?

Das müssen wir abwarten. Wir haben uns in Bezug auf die Getriebeübersetzung noch nicht festgelegt. Ich kann nur hoffen, dass ich im Rennen nicht wie in Spa hinter einem anderen Fahrzeug steckenbleibe, als ich einen zu kurz übersetzten höchsten Gang hatte. Vom reinen Topspeed her sollten wir gut aufgestellt sein.

Was ist es für ein Gefühl für dich, in Monza zu fahren?

Es ist ein tolles Gefühl, auf dieser fantastischen Strecke zu fahren. Spa und Monza sind zwei der wenigen Strecken, die nicht durch Modernisierungsmaßnahmen entstellt worden sind. Monza ist bis heute eine schwierige Strecke geblieben, da es aufgrund des niedrigen Abtriebs sehr schwierig ist, am Limit zu fahren. Zudem sind die Schikanen eine grosse Herausforderung. Spa ist nach wie vor meine Lieblingsstrecke, aber Monza ist auch toll und unterscheidet sich sehr stark von den restlichen Strecken.

Warum fühlst du dich in Monza so wohl?

Ich habe den Vorteil, dass ich in der Vergangenheit schon ein paar Rennen hier bestritten habe. Das macht in puncto Erfahrung auf jeden Fall einen Unterschied.

Du wirkst sehr entspannt. War der Aufstieg vom Testfahrer zum Stammfahrer in irgendeiner Hinsicht mit Druck verbunden?

Es gibt eine Menge Druck. Wenn du plötzlich ins Renncockpit aufsteigst, musst du deine Leistung auf den Punkt abliefern. Auf mich sind jetzt eine Menge Augen gerichtet. Bringe ich meine Leistung nicht, gibt es Kritik. Bringe ich meine Leistung, gibt es Lob. Ich bin aber ruhig, denn ich gehe meine Aufgabe Schritt für Schritt an. Im ersten Freien Training lag ich noch sieben Zehntelsekunden hinter Witali zurück und habe versucht zu verstehen, was los war. Am Nachmittag lief es schon viel besser. Darauf lässt sich aufbauen. Ich versuche mich einzig und allein auf meinen Job zu konzentrieren und nicht darauf, was andere Leute über mich denken.

Erwartest du hier eine ähnlich starke Leistung im Qualifying wie in Spa?

In Spa war die Situation eine andere, da es die Bedingungen dort sehr schwierig gemacht haben und das Feld im Qualifying demzufolge sehr weit auseinander gezogen war. Ich habe gezeigt, dass ich unter schwierigen Bedingungen meine Leistung bringen kann. Hier hingegen erwarte ich deutlich geringere Abstände zwischen den einzelnen Fahrzeugen. Eine Zehntelsekunde macht hier teilweise zwei Positionen aus. Es ist daher wichtig, ein perfekt ausbalanciertes Auto zu haben. Bisher ist mir das hier noch nicht gelungen und ich bin mir nicht sicher, ob mir das bis morgen gelingt. Ich glaube, ich werde noch ein paar Rennen brauchen. Ich bin überzeugt, dass es morgen wesentlich schwieriger werden wird, in jeder Runde die optimale Leistung zu bringen. In Spa war ich im Nassen stets komfortabel unter den ersten Fünf, Sechs, Sieben. Hier sind wir im Trockenen am unteren Ende der Top 10 zu finden. Es wird daher sehr schwierig werden, in Q3 vorzustossen, aber ich werde natürlich mein Bestes geben.

Was glaubst du woran es liegt, dass manche Fahrer die halbe Saison brauchen, bis sie im Qualifying ihre optimale Leistung abrufen können?


Die Schwierigkeit besteht darin, das Maximum aus den Reifen herauszuholen. Fährst du mit 102 Prozent Einsatz, bist du nirgendwo, denn du verlierst so viel Zeit. Bei den Bridgestone-Reifen war das anders. Mit diesen konntest du auch knapp über dem Limit noch eine vernünftige Rundenzeit fahren ohne die Reifen zu ruinieren. Die Pirelli-Reifen verlangen viel mehr Finesse vom Fahrer, was es speziell am Anfang sehr schwierig macht.

Welche Bedeutung hat für dich der Einsatz von DRS auf dieser Strecke?

Zunächst ist das Qualifying natürlich sehr wichtig. Das Rennen kann sich allerdings ziemlich stark vom Qualifying unterscheiden. Das haben wir in diesem Jahr schon ein paar Mal erlebt. Es kann durchaus sein, dass einige Autos, die am Samstag sehr schnell sind, im Rennen durchgereicht werden, weil die Reifen zu schnell verschleissen. Grundsätzlich ist Monza wahrscheinlich die beste Strecke, wenn es ums Überholen geht. Die Herausforderung wird darin bestehen, den richtigen Kompromiss zwischen Qualifying und Rennen zu finden. Startest du von vorn, wirst du womöglich durchgereicht. Startest du von etwas weiter hinten, kannst du dank DRS eine Menge Positionen gutmachen.

Welchen Eindruck hast du bisher von DRS auf dieser Strecke?

Ich habe DRS heute mehrfach benutzt, um herauszufinden, wie spät ich damit bremsen kann. Du kommst mit dem flach gestellten Flügel einfach mit wesentlich mehr Geschwindigkeit auf die Kurve zu als ohne DRS. Ich fuhr eine ganze Weile hinter Michael Schumacher her und konnte mir ein gutes Bild von der Aufschlussrate dank DRS und KERS verschaffen. Später bin ich in Vorbereitung auf das Rennen eine komplette Runde mit DRS und vollem Tank gefahren, um zu sehen, wie sich das Auto unter diesen Bedingungen verhält. Mit meinen Erkenntnissen bin ich sehr zufrieden.

Was genau hast du hinter Michael gelernt?

Ich wollte herausfinden, wie sich das Auto im Windschatten eines anderen Fahrzeugs verhält und wie schnell ich auf das vor mir fahrende Auto aufholen kann.

9.9.2011