24. Oktober 1971: Siffert stirbt in Brands Hatch

Jo Siffert und Clay Regazzoni:

Zwei, die unsere Rennszene für immer prägten

Unsere goldenen Formel-1-Zeiten dauerten 16 Monate und drei Tage. Dann riss der Tod Jo Siffert aus dem Leben. Clay Regazzoni musste die Schweizer Fahne allein tragen.

Wie oft wurde ich doch gefragt, wer der bessere Rennfahrer gewesen sei. Der ungezähmte Fribourger oder eben der im Innern doch eher schüchterne Tessiner? Muss es auf diese Frage überhaupt eine Antwort geben? – Nein! Nur eines ist sicher: Diese goldene Ära wird unser Land in der Formel 1 nie mehr erleben.

Jo und Clay waren gar nicht so unterschiedlich, wie viele lange glaubten. Beide, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, begeisterten als Kämpfer mit einem grossen Herzen und viel Mut. Von taktischen Rennen hielten beide nach dem Fallen der Startflagge nichts. Vollgas als tägliches Brot!

Ihr gemeinsames Motto auf dem Asphalt: SOS – Sieg Oder Stopp. Der grösste Unterschied zwischen den Schweizern lag im Aufstieg nach oben. Siffert musste jahrelang auf zwei und vier Rädern mühsam fighten. Regazzoni traf meist die richtigen Leute, konnte seine Formel-1-Karriere am 21. Juni 1970 gleich bei Ferrari feiern. Mit einem vierten Platz in Zandvoort.

20. Juli 1968.

Siffert gewinnt im Lotus den GP England. Dort, wo er 1971 auch starb

Siffert, der jahrelang als bester Privatfahrer galt und seine grössten Erfolge auf Porsche in der Langstrecken-WM mit Derek Bell hatte, verpasste es dreimal in Maranello, seine Unterschrift zu deponieren.

1967 sagt Seppi dem Commendatore am Telefon höflich ab. Seine Mutter soll ihm bei einem Mittagessen in Luzern davon abgeraten haben!

Im November 1968 war Siffert praktisch schon engagiert, doch Enzo Ferrari plauderte das Geheimnis einem Reporter in Modena aus. Die News machte schnell die Runde und der lokale Porsche-Händler telefonierte ins Werk nach Zuffenhausen bei Stuttgart. Alarm! Noch am selben Tag flog der inzwischen verstorbene Zürcher Porsche-Teamchef Rico Steinemann zum GP nach Mexiko, um Jo (der dort auf der Pole-Position stand) zu überreden.

24. Oktober 1971:

Brands Hatch. 14.18 Uhr. Jo erstickt im brennenden BRM-Wrack. Bei einem Nicht-WM-Lauf

Denn Ferrari hätte Jo nie erlaubt, weiter für Porsche zu siegen (total 13 Mal). Was machte Seppi? Der stets loyale Welsche gab Ferrari wieder einen Korb ... Wie im Sommer 1971, als die Italiener erneut anklopften, um ihn (wohl gegen Clay!) auszuwechseln!

Die beiden Eidgenossen schafften es 1970 und 1971 nie gemeinsam aufs Formel-1-Podest. Dagegen lagen sie am 5. September 1971 in Monza jeweils vier Runden lang in Führung. Am Ende gingen beide leer aus.

Das grösste Duell von Jo und Clay sah Rouen am 28. Juni 1970. In der Formel 2 ... Damals fuhren die GP-Stars auch in andern Serien mit. Was zum Beispiel Jim Clark 1968 auf einem F-2-Lotus in Hockenheim zum Verhängnis wurde.

Wie 13 Monate später in Monza rasten auch in Rouen die ersten fünf Autos innerhalb von einer Sekunde durchs Ziel. Doch diesmal siegte Jo (BMW) 0,1 vor Clay (Tecno).

Die Schweiz geriet nach jenem historischen Doppelsieg wieder kurz ins Schwärmen. Wie bei Sifferts erstem GP-Triumph am 20. Juli 1968 in Brands Hatch. Seiner späteren Todesstrecke.

Das TV und die Medien begannen mit leisen Schritten den internationalen Rennsport zu entdecken. Begleitet aber auch vom Kreuzfeuer der Kritik, da in jenen Jahren oft bis zu drei GP-Piloten in einer Saison den Tod fanden!

Wie Siffert am 24. Oktober 1971. Als er gehen musste, sagte mir Clay: «Mit Jo starb mein Bruder!» Von Roger Benoit

Quelle: BLICK

24.11.2011