Keiner erinnert sich an den Vizeweltmeister

Jenson Button blickt auf eine erfolgreiche Saison

bei McLaren zurück

McLaren-Pilot Jenson befindet sich auf dem besten Weg zum Vize-WM-Titel. Der zweite Rang im Endklassement der Weltmeisterschaft hat für den Briten allerdings nicht die größte Priorität. In seiner Medienrunde am Donnerstag in Abu Dhabi spricht Button darüber, welchen Gegner er im Kampf um Platz zwei vor allem schlagen möchte, über eine mögliche Teamorder bei McLaren, seine persönliche Saisonbilanz sowie die Vielzahl an Vorfällen in diesem Jahr, bei denen die Rennleitung einschreiten musste.

Frage: Jenson, worauf legst du bei den beiden verbleibenden Rennen des Jahres den Fokus? Auf das bestmögliche Endresultat oder auf Erkenntnisse im Hinblick auf die kommende Saison?

Jenson Button: Für das Team an sich sind beide Faktoren gleich wichtig. Natürlich wollen wir das Auto im Hinblick auf die neue Saison entwickeln, um damit um die Weltmeisterschaft mitfahren zu können. Die laufende Saison mit guten Ergebnissen abzuschliessen, hat jedoch auf die gesamte Arbeit im Winter grossen Einfluss. Am Montagmorgen nach einem Sieg mit den roten Teamhemden die Arbeit anzutreten, macht eine Menge aus und verleiht dem gesamten Team grossen Auftrieb im Hinblick auf die Entwicklung des neuen Autos.

Der Titel ist in diesem Jahr für dich ausser Reichweite. Platz zwei ist noch möglich. Bedeutet dir dies irgendetwas oder ist dir der Vizetitel egal?

Wir alle treten an, um Weltmeister zu werden. Wenn du bereits einen Titel gewonnen hast, wird dir klar, dass da nichts anderes heran reicht. Die Saison vor einem Red Bull und vor Fernando im Ferrari sowie vor Lewis zu beenden, ist aber schon etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Letztlich konzentriere ich mich aber nach wie vor darauf, Rennen zu gewinnen und werde nicht zurückstecken, nur um den zweiten Rang in der WM-Tabelle abzusichern.

Was bedeutet es dir, die Saison vor deinem Teamkollegen Lewis Hamilton abzuschliessen?

Es geht nicht nur darum, die Saison vor Lewis zu beenden. Es geht darum, die Saison vor mehreren Weltmeistern zu beenden. Sowohl Lewis als auch Fernando standen bereits an der Spitze dieses Sports. Genauso geht es darum, Mark zu schlagen. Was ihn betrifft, ist es mir sogar noch wichtiger als bei Lewis und Fernando, da er in dem Auto sitzt, das in diesem Jahr die Weltmeisterschaft gewonnen hat. Auch wenn ich derzeit über einen guten Punktevorsprung auf Mark verfüge, wird das bei den verbleibenden zwei Rennen noch ein harter Kampf werden, auf den ich mich freue. Das Jahr vor einem Red Bull abzuschließen, wäre ein gutes Ende einer positiven Saison für mich.

Viele Fahrer sagen, dass ein zweiter Platz sie nicht interessiert. Die Positionen eins und zwei in der WM-Tabelle lesen sich in einer Karriere aber doch sicher besser als eins und vier oder etwa nicht?

Ja, das stimmt, aber im kommenden Jahr erinnert sich niemand an dich, wenn du Zweiter geworden bist. Mir selbst geht es da nicht anders. Du erinnerst dich daran, wer der amtierende Weltmeister ist, aber nicht daran, wer die Weltmeisterschaft hinter ihm auf Platz zwei abgeschlossen hat. So gesehen bedeutet mir der zweite WM-Rang nicht viel, aber es wäre dennoch schön. In erster Linie geht es mir aber darum, dieses Rennen hier und auch das nächste zu gewinnen. Dafür würde ich auch auf die Punkte verzichten. Hoffentlich können wir den Fans ein spannendes Rennen bieten und die Red Bulls, insbesondere Sebastian, herausfordern. Das war zuletzt nicht immer einfach, aber wir haben denke ich einen ganz guten Job gemacht.

Sebastian Vettel hat in dieser Saison einen Grossteil der Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Macht dich das traurig und siehst du deine eigene Leistung dadurch in den Hintergrund gerückt?

Unterm Strich haben wir als Team den bestmöglichen Job abgeliefert. Ich habe sowohl was das Fahren als auch was die Arbeit mit den Ingenieuren betrifft, stets gute Arbeit geleistet, wie ich glaube. Gleiches gilt für das Team. Erinnern wir uns an Suzuka, wo wir einen grossartigen Sieg herausgefahren haben, weil wir schnell und konstant waren und zudem fantastische Boxenstopps hatten. Dort hat einfach alles gepasst. Nach einem solchen Wochenende trittst du zufrieden die Heimreise an, ganz gleich ob du gewonnen hast oder nicht. In Indien war es ähnlich. Auch dort lief alles glatt, aber wir haben das Rennen nicht gewonnen. Wichtig für uns war, dass wir den bestmöglichen Job erledigt haben.

Hältst du es für angebracht, so kurz vor Ende der Saison über eine Teamorder bei McLaren zu diskutieren?

Nein. Um die Weltmeisterschaft zu gewinnen, musst du auch deinen Teamkollegen schlagen. Im WM-Kampf bist du auf dich allein gestellt. Lewis sitzt im selben Auto wie ich und wir haben tolle Duelle, weil wir beide gewinnen wollen. Darüber sprechen wir aber nicht, weil es ohnehin ein Fakt ist, der allen bewusst ist. Kein Fahrer fährt für seinen Teamkollegen oder dafür, diesen nicht zu schlagen. Das war schon immer so, weshalb es nicht notwendig ist, ständig darüber zu sprechen.

Deine zweite Saisonhälfte war sehr stark. Siehst du dich persönlich in der besten Form seitdem du im Jahr 2009 den WM-Titel gewonnen hast?

Das vergangene Jahr war für mich über weite Strecken ein Lehrjahr, in dem es darum ging, mich im neuen Team einzufinden. Nachdem ich zuvor sieben Jahre lang für dasselbe Team gefahren bin, habe ich eine gewisse Eingewöhnungsphase erwartet. Das vergangene Jahr war alles in allem gut, aber ich hatte keinen Einfluss auf die Entwicklungsrichtung des Autos. Auf das diesjährige Auto hatte ich deutlich mehr Einfluss. Ich konnte das Team bei der Entwicklung in eine Richtung lenken, die mir beim Fahren entgegenkommt. Das betrifft in erster Linie ein stabiles Heck, aber auch eine Menge anderer, kleinerer Dinge. Aus diesem Grund fühle ich mich in diesem Jahr im Auto deutlich wohler als das noch vor einem Jahr der Fall war. Die Arbeit, die bei uns gegenwärtig im Windkanal verrichtet wird, befasst sich zum Teil noch mit den verbleibenden Rennen in diesem Jahr, zum Großteil aber bereits mit Entwicklungsteilen für die kommende Saison. Das ist sehr interessant zu sehen und ich bin mit der eingeschlagenen Richtung sehr glücklich. Ob es dann tatsächlich auch auf der Rennstrecke funktioniert, steht aber auf einem anderen Blatt. Das müssen wir abwarten.

Wo siehst du noch den grössten Nachholbedarf?

Ich würde sagen im Qualifying. Das gilt sowohl für mich selbst als auch für das Team. Red Bull hat in diesem Jahr in den Qualifyings eine unglaubliche Leistung gezeigt. Sie wurden nur einmal geschlagen und das hat Lewis geschafft. Was mich betrifft, so war ich in den Rennen oft deutlich näher dran als im Qualifying. Wenn du als Dritter oder Vierter losfahren musst, macht das die Aufgabe, jemanden wie Sebastian zu schlagen, umso schwieriger. Wir können aber auch nicht alles nur auf das Qualifying schieben. Es hat in diesem Jahr eine Menge Rennen gegeben, in denen wir konkurrenzfähig waren, aber auf Sebastian haben uns trotzdem drei Zehntelsekunden gefehlt. Das war sehr frustrierend, so dicht dran und gleichzeitig doch so weit weg zu sein. Unsere Grundgeschwindigkeit ist sicher der Punkt, den wir noch verbessern können. Zudem hatte ich zwei Zuverlässigkeitsprobleme, während Red Bull keinen einzigen Defekt zu verzeichnen hatte. Wenngleich unsere Zuverlässigkeit im Vergleich zu den Vorjahren großartig war, so ist das dennoch ein Punkt, an dem wir noch arbeiten müssen, denn in diesem Jahr waren mehr oder weniger alle auf diesem Gebiet grossartig.

Es hat in diesem Jahr eine Menge Strafen seitens der Rennleitung für misslungene Überholmanöver gegeben. Glaubst, dass der Bogen überspannt wurde und die Fahrer nun verunsichert sind, wenn sie einen Angriff planen?

Das glaube ich nicht. Wir sprechen hier von einem Instinkt, den du nicht veränderst, weil eine mögliche Strafe drohen könnte. Natürlich hat es eine Menge Strafen gegeben. Andererseits muss man auch sagen, dass wir stetig Druck auf die FIA und die Stewards dahingehend ausüben, dass sie konstante Entscheidungen treffen. Diese Konstanz ist meiner Ansicht nach gegeben und das ist die Hauptsache. Ob ein Manöver zu hart oder nicht, sollten nicht die Fahrer, sondern die Stewards entscheiden. Wir sollten uns da zurückhalten.

Erinnern dich die Manöver in diesem Jahr an die Anfänge deiner Karriere?

Als ich in Italien Kartrennen bestritten habe, war es uns nicht erlaubt, einen Gegner zu blocken. Hast du es doch getan, wurdest du eine Position nach hinten versetzt. In dieser Hinsicht gab es damals ein größeres Maß an Respekt, denn du wusstest genau: Blockst du, bekommst du eine Strafe oder ein anderer Fahrer schickt dich von der Strecke. Bei solchen Zwischenfällen konntest du dich in der Regel aber nicht verletzen, da du nicht mit 320 km/h unterwegs warst. In der Formel Ford war uns Fahrern alles erlaubt. Ich erinnere mich an ein Rennen, in dem ich hinter einem anderen Fahrer lag, der auf der Geraden sechs oder siebenmal seine Linie gewechselt hat, um mich am Überholen zu hindern. Das war sehr frustrierend. So gesehen bin ich froh, dass wir in der Formel 1 Regeln haben, die so etwas unterbinden. Das kommt dem Überholen als Ganzes zu Gute. Du brauchst in jedem Sport ein Regelwerk. In unserem Sport sind die Regularien meiner Ansicht nach korrekt.

10.11.2011