Button: "Lewis hat seinen eigenen Stil"

Jenson Button

hat den Kampf um den WM-Titel 2011 noch nicht aufgegeben

McLaren-Pilot Jenson Button blickt zurück auf seinen Husarenritt in Kanada, auf die Kollision mit Teamkollege Lewis Hamilton und schaut voraus auf das bevorstehende Rennen in Valencia. Im Interview spricht der Brite über seine Gedanken im Cockpit in Montreal, darüber, wo er bei Red Bull und Sebastian Vettel Schwächen ortet und wie er das Kräfteverhältnis durch das Zwischengasverbot beurteilt.

Frage: Jenson, wie lange hast du nach deinem Sieg in Montreal gefeiert?

Button: Ungefähr bis zwei Uhr nachts. Jessica (Freundin Michibata) war schon an der Strecke ganz aufgeregt und hat sich ein paar Drinks genehmigt. Sie hat nicht ganz so lange durchgehalten und war um zwei Uhr nachts doch sehr müde. Alles in allem war es eine grossartige Nacht mit meinen Freunden. Leider musste mein Physiotherapeut frühzeitig die Heimreise antreten. Einer meiner besten Freunde hatte tags zuvor Geburtstag. Es war eine tolle Feier. Am Montag bin ich dann für ein paar Tage in Richtung Los Angeles und Las Vegas aufgebrochen, um seinem Junggesellenabschied beizuwohnen. So gesehen war es gleich aus mehreren Gründen eine grossartige Woche.

Hast du dir das Rennen inzwischen noch einmal ansehen können?


Ja, ich habe es mir am vergangenen Sonntag angesehen. Etwa zur Halbzeit der Übertragung auf 'BBC' habe ich nicht alles mitbekommen, da mich die Kommentare von David (Coulthard) und Martin (Brundle) während der Safetycar-Phase doch ziemlich gelangweilt haben. Da habe ich etwas vorgespult. Das Rennen an sich war jedoch grossartig.

Was hältst du von den vielen Überholmanövern und der Show generell. Glaubst du, dass es irgendwann zu viel des Guten werden könnte?

Zunächst einmal muss ich sagen, dass die Verantwortlichen bei ihrer Entscheidung, das Safetycar auf die Strecke zu schicken, sehr viel Fingerspitzengefühl bewiesen haben. Charlie (FIA-Renndirektor Whiting) und den Fahrern liegt natürlich sehr viel daran, das Safetycar auf der Bahn zu sehen, bevor ein Unfall passiert und nicht erst danach. Unter diesem Aspekt betrachtet haben sie mit Blick auf die nassen Bedingungen genau die richtige Entscheidung getroffen. Ich kann Charlie und der FIA nur gratulieren, denn die Strecke war zu diesem Zeitpunkt wirklich extrem nass und nicht befahrbar. Auf dem Fernsehbild mag das vielleicht nicht unbedingt so ausgesehen haben, aber wenn du im Auto sitzt, hast du ständig Aquaplaning und kannst den Wagen nicht mehr kontrollieren. Hinzu kommt, dass du nichts sehen kannst - nicht einmal das Lenkrad. Ich kann nur noch einmal betonen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben, die dann als Konsequenz ein großartiges Rennen mit vielen Zielankünften zur Folge hatte. Was das Überholen generell betrifft, so muss ich sagen, dass es in diesem Jahr deutlich besser geworden ist. Daran haben sowohl die Reifen als auch DRS und KERS einen Anteil. Auf die Anzahl der Überholmanöver im Rennen und das Spektakel haben sich die Änderungen ganz eindeutig positiv ausgewirkt. Gleichzeitig müssen wir aber aufpassen, dass wir DRS sinnvoll einsetzen. Teilweise sehen die Manöver vielleicht zu einfach aus. Wir müssen daher darauf achten, die Länge der DRS-Zonen jeweils richtig abzuwägen. Bisher hat die FIA auf diesem Gebiet einen tollen Job gemacht.

Glaubst du, dass Sebastian in Kanada unter deinem Druck einen Fehler gemacht hat und womöglich sogar daran zerbrochen ist?

Ich würde nicht sagen, dass er daran zerbrochen ist. Ich habe lediglich dafür gesorgt, dass er alles geben muss. Bei diesem Bemühen kam er mit einem Rad auf den feuchten Teil der Strecke und musste eine Kurve weiter nehmen als geplant. Meiner Meinung nach haben die vergangenen drei Rennen gezeigt, dass wir in puncto Rennspeed mit Red Bull mindestens auf einem Level fahren. Hoffentlich können wir an diesem Wochenende auch im Qualifying näher an ihnen dran sein. Falls wir es nicht in die erste Startreihe schaffen sollten, müssen wir zusehen, dass wir so weit vorn wie möglich stehen. Hoffentlich können wir erneut um den Sieg kämpfen.

Dank deiner Aufholjagd vom letzten Platz bis zum Sieg stehst du nun in den Geschichtsbüchern. Wie viel Spass hat dir das Rennen in Montreal persönlich bereitet?

Es hat unglaublich viel Spass gemacht. Das Frustrierendste für mich war lange Zeit, dass unsere Pace im Rennen sehr gut war, ich mich allerdings jedes Mal als ich das zeigen wollte, entweder aufgrund eines Reifenwechsels oder aufgrund einer Berührung mit jemandem anderen in der Boxengasse befand. Bis ich als 21. wieder auf die Strecke ging und meine Runden abspulen konnte, war es ein ziemlich frustrierendes Rennen. Etwa ab Runde 40 war ich wirklich glücklich, weil ich die Pace zeigen konnte, zu der das sowohl das Auto als auch ich selbst fähig waren. Unterm Strich war es eine fantastische Erfahrung, den Grand Prix unter diesen Umständen noch gewinnen zu können. Die Jungs in der Fabrik haben mich darauf angesprochen und gesagt, dass gemäss ihrer Recherchen vor mir zuletzt im Jahr 1960 ein Fahrer vom letzten Platz aus bis ganz nach vorn gefahren ist. Mir ging es im vergangenen Jahr in Australien schon einmal so und jetzt wieder. Ich möchte dies allerdings nicht allzu häufig wiederholen, um ehrlich zu sein. Wichtig ist für mich letztlich das Endergebnis. Mit vier Stunden und drei Minuten war es zudem das längste Rennen der Geschichte. Ich persönlich werde mich immer sehr gern an dieses Rennen erinnern, ganz einfach aus dem Grund, weil ich es wie wir alle einfach liebe, zu gewinnen. Jetzt sind wir nur noch hungriger und wollen das Ergebnis hier wiederholen.

Glaubst du, dass das Zwischengasverbot eine grosse Auswirkung auf das Kräfteverhältnis haben wird?

Es wird sich mehr oder weniger bei allen Teams bemerkbar machen. Ich gehe davon aus, dass Red Bull womöglich etwas mehr darunter leiden wird als andere, aber wir müssen abwarten. Das Diffusorsystem von Red Bull ist sicher etwas besser als das der anderen Teams. Hoffentlich sind sie jetzt im Qualifying nicht mehr ganz so schnell. Das sagen wir aber schon das gesamte Jahr hindurch und bisher hatten sie immer noch einen Pfeil im Köcher.

Hast du in deinen Augen nach wie vor eine Titelchance in diesem Jahr?

Ja. Wenn ich nicht daran glauben würde, wäre ich nicht hier. In einem Team wie McLaren kann während der Saison alles passieren. Es wird ganz eindeutig schwieriger werden, als wenn wir alle bei Null starten würden. Stattdessen liegen wir 60 Punkte zurück, aber so ist es nun einmal. Wir haben bei Sebastian (Vettel) und Red Bull bei den vergangenen Rennen die eine oder andere Schwäche gesehen. Es ist schön zu sehen, dass auch das Glück nicht immer auf ihrer Seite ist. Dennoch werden sie bei jedem Rennen sehr schwer zu schlagen sein. Die Formel 1 ist und bleibt eine Herausforderung und wir werden unser Möglichstes tun, um konkurrenzfähig zu sein.

Du hattest im Rennen eine Kollision mit Lewis. Im Anschluss habt ihr euch allerdings umarmt und gemeinsam gefeiert. Was hast du im Moment der Kollision gedacht?

Eine Kollision kannst du natürlich nie brauchen. Ich gehöre zu denjenigen Fahrern, die mit einem Formel-1-Auto nicht einmal eine Mauer - und sei es noch so leicht - berühren wollen. Ich versuche stets, so präzise wie möglich zu fahren. Eine Berührung mit einem Konkurrenten gehört für mich nicht zum Verständnis des Rennfahrens. Ich möchte weder mit meinem Teamkollegen noch mit irgendjemand anderem auf der Strecke aneinander geraten. Im ersten Moment war ich natürlich enttäuscht. In der Pause vor dem Neustart habe ich mit Lewis darüber gesprochen und alles war in Ordnung. Unglücklicherweise hatte ich im Anschluss eine Kollision mit Fernando (Alonso). Das war einfach ein Rennunfall. Wir haben beide gleichzeitig versucht, durch eine Kurve zu fahren, wo nur ein Fahrzeug Platz hatte. Es war eines dieser Rennen, in denen so etwas aufgrund der rutschigen Fahrbahn passieren kann. Da kannst du nichts machen. Zum Glück hat es für mich unterm Strich noch zum Sieg gereicht.

Du hast gesagt, dass du grossen Respekt vor Lewis hast und nicht der Meinung bist, dass sein Fahrstil zu aggressiv ist. Was genau meinst du damit?

Jeder Pilot hat seinen eigenen Fahrstil. Ich würde sagen, dass Lewis und ich unterschiedliche Fahrstile haben. Meistens kommt Lewis mit seinem Stil durch. Bei den vergangenen Rennen war das nicht der Fall. Das ist ein schwierig zu kommentierendes Thema. Bei einem Grossteil seiner Manöver denke ich mir 'wow, das war grossartig'. In jüngster Vergangenheit hat das nicht immer so für ihn geklappt. Unterm Strich ist und bleibt er ein aggressiver Fahrer, der sehr schnell ist, was letztlich der Grund ist, warum er teamintern so beliebt ist.

Siehst du Lewis ein wenig als Popstar der Formel 1?

Er hat definitiv seinen eigenen Stil, auch äusserlich. Was mich betrifft, so werde ich mich ihm allerdings nicht anpassen und in Zukunft auch einen Ohrring tragen. Ich mag generell keine Nadeln oder dergleichen.

Was erwartest du dir vom Rennen in Valencia?

Ich bin mir sicher, dass wir im Vergleich zu den vergangenen Jahren diesmal ein spannenderes Rennen erleben werden. Was den Reifenabrieb betrifft, so wird es viele Gummipartikel neben der Ideallinie geben. Die Reifen in diesem Jahr scheinen wie gemacht für Stadtkurse. Valencia ist von der Charakteristik her recht ähnlich zu Montreal. Man braucht hier viel mechanischen Grip, da es eine Menge langsamer Kurven gibt. Der Kurs liegt in einer tollen Umgebung, aber die Strecke selbst ist nicht gerade bekannt dafür, dass es hier viele Überholmanöver gibt. Dank DRS, KERS und den Pirelli-Reifen sollte uns jedoch ein deutlich interessanteres Rennen bevorstehen. In diesem Jahr waren bisher alle Rennen fantastisch. Ich hoffe, das geht so weiter.

Magst du die Strecke hier in Valencia?

Es macht Spass hier zu fahren. Von Zeit zu Zeit kann es allerdings etwas frustrierend sein, da die Randsteine sehr hoch sind und du sofort aus der Bahn geworfen wirst, wenn du sie falsch erwischst. Die Rennen hier gehörten in der Vergangenheit nicht gerade zu den spannendsten. Dank der neuen Regeln könnte sich dies in diesem Jahr allerdings ändern.

24.6.2011