Domenicali: "Ferrari muss die Philosophie ändern"

Vor dem wichtigen Heimrennen in Monza

blickt Teamchef Stefano Domenicali auf die gegenwärtige Situation bei Ferrari

Ferrari hat sich von der Saison 2011 deutlich mehr erwartet. Einen Sieg hat das Traditionsteam gefeiert und er kam ausgerechnet in Silverstone - im Herzen des britischen Motorsports. Nun steht mit Monza der italienische Renntempel auf dem Programm. Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali geht davon aus, dass sich McLaren und Red Bull für die Silverstone-Niederlage rächen werden. Seit der Ära Michael Schumacher und Jean Todt hat sich bei der Scuderia viel verändert. Ein WM-Titel wurde gewonnen (2007), aber sonst verlor man im letzten Rennen (2008 & 2010), beziehungsweise kämpfte gar nicht um die Krone (2009 & 2011).

"Wir glauben, dass es jetzt die letzte enttäuschende Saison ist", wird Domenciali von der 'Repubblica' zitiert. "Todt hat viel gewonnen, aber er hatte auch Zeit, um ein Siegerteam aufzubauen. Es war aussergewöhnlich. Ich möchte das auch tun und sehe der Zukunft optimistisch entgegen. Wir bauen die Strukturen und eine neue Basis auf. Wir haben allerdings nicht einen einzigen Mann, wie Adrian Newey bei Red Bull, sondern sind ein Team." Es wurde bereits angekündigt, dass das neue Auto für 2012 radikaler und innovativ sein soll. Das wirft allerdings mehrere Probleme auf. Wo findet man im engmaschigen Reglement Raum für eine innovative Idee, und hat Ferrari die genialen Köpfe dafür? Doppeldiffusor, F-Schacht und der angeströmte Diffusor waren alles Entwicklungen, die die Roten zu Beginn verschlafen hatten. "Wenn Ferrari wieder vorne sein will, müssen wir die Philosophie ändern. Wenn man linear bleibt, dann kommt man nicht weiter. Für einen richtigen Schritt braucht man Phantasie. Man muss es riskieren - alles oder nichts", sagt Domenicali. "Die Message lautet Diskontinuität. Wir haben jetzt Pat Fry als Chefingenieur." Ein Problem bei Innovationen ist auch die Zuverlässigkeit. Wie Red Bull eindrucksvoll beweist, sind Ausfälle heute die Ausnahmen. "Die Zuverlässigkeit darf man nicht vergessen. Wir brauchen einen guten Start in die Saison. Alonso hat den WM-Titel 2010 im Frühling verloren. In diesem Jahr ist es noch schlimmer." Das böse Erwachen passierte beim Saisonauftakt. "Wir hatten in Australien herausgefunden, dass wir 1,4 Sekunden zu langsam waren. Das war schwer zu akzeptieren und schockierend. Im Februar bei den Tests war alles okay, aber im März war es dann nicht mehr der Fall."

Nun steht mit Monza das wichtige Heimrennen an. Im Vorjahr hat Alonso den Tifosi den Sieg geschenkt. "Es wird ein Test unseres Potenzials. Wir sind mit der Konkurrenz auf Augenhöhe. Wir haben in Silverstone gewonnen, der Heimat von McLaren und Red Bull. Das ärgert sie und sie wollen Rache nehmen. Ich habe meinem Team befohlen, das zu verhindern." Das erstaunliche an der aktuellen Saison ist, dass Alonso und Mark Webber (Red Bull) in diesem Jahr nach zwölf Rennen mehr Punkte auf dem Konto haben, als im gleichen Zeitraum 2010. "Es ist nicht Alonsos Schuld, dass Vettel die WM an sich gerissen hat. Wir lagen falsch, während er gigantisch fuhr", meint Domenicali über den Gegner. Im kommenden Jahr soll das anders werden.

Alonso hat sich bis 2016 an Ferrari gebunden und gibt immer den WM-Titel als Ziel aus. "Einige der aktuellen Entwicklungen sind eine wichtige Basis für das kommende Jahr. Der entscheidende Punkt ist, dass man weiss, wie man die Reifen unter allen Bedingungen verwenden muss", spricht der Teamchef eine Problemzone des 150°Italia an. "Von jetzt an bis November werden wir speziell daran arbeiten. Wir gehen an die Sache aggressiv heran, auch wenn die WM schon verloren ist. Alonso glaubt daran. Er hat auf dem Höhepunkt seiner Kariere bis 2016 unterschrieben. Ein Siegertyp würde diese Zeit nicht aufbringen, wenn er nicht von dem Projekt überzeugt wäre." Und was ist mit Felipe Massa? "Er ist so stark wie vor seinem Unfall in Budapest. Er hat einen Vertrag bis Dezember 2012. Bis dahin wird er nicht angerührt."

8.9.2011