Schumacher und sein lustiger Nachmittag
Michael Schumacher vor Lewis Hamilton:
Dieses Duell war elektrisierend
Michael Schumacher hat den Aufwärtstrend von Mercedes in den beiden Rennen in Spa-Francorchamps und Monza jeweils in einen fünten Platz ummünzen können. In Belgien begeisterte der Rekordchampion mit einer tollen Aufholjagd, in Italien war es das rundenlange Duell mit Lewis Hamilton, das nicht nur die Fans von den Sitzen riss. "Ich habe gestanden, wollte gar nicht mehr sitzen - so wird Rennen gefahren. Sich mit einem nicht ganz so starken Auto so zu verteidigen, das ist der Reiz", sagt Norbert Haug.
"Es war ein lustiger Nachmittag", fasst Schumacher seinen Rennsonntag grinsend zusammen. Dem 42-Jährigen ist deutlich anzusehen, wie wohl er sich im Dunstkreis der Weltmeister Vettel, Alonso, Hamilton und Button fühlte. "Ich hatte natürlich davon geträumt, gleich beim Start nach vorne kommen zu können. Schön, dass dieser Traum wahr wurde. Ich habe mich ganz bewusst mit der Drehzahl beim Start zurückgehalten, um keine durchdrehenden Räder zu haben und den Grip gut zu nutzen. Das hat perfekt funktioniert. Ich konnte den Windschatten gut nutzen und plötzlich war die linke Seite frei. Ich habe gedacht: Wenn die Tür auf ist, dann nehmen wir sie doch mal", berichtet Schumacher. Anfangs konnte sich der Kerpener auf Platz drei lange Zeit vor den beiden McLaren halten.
Während zu Beginn Hamilton immer wieder wenig erfolgreiche Attacken probierte, war es schliesslich Jenson Button, der als erster McLaren-Mann am Deutschen vorbeikam. Das Duell gegen Hamilton ging weiter. "Ich habe Regeln und Auto maximal ausgenutzt, mich breit gemacht. Ich war der Ansicht, dass ich ihm genug Platz gelassen habe. Dass es eng wird, kann sein - aber dafür fahren wir Rennen in der Formel 1", so der Mercedes-Pilot, der zwischenzeitlich per Funk zur Vorsicht ermahnt wurde.
"Die FIA hat darum gebeten, vorsichtig zu sein. Es war immer genug Platz da. Sie haben so lange mit einander gekämpft. Da geht es natürlich auch mal eng zu. Aber es war alles fair und in Ordnung. So etwas wollen wir doch sehen", freut sich Teamchef Ross Brawn. "Das war toll. Die beiden haben sich nichts geschenkt, haben grossartig gekämpft und sind dabei fair geblieben. Genauso wollen wir das sehen. Mich freut es für Michael."
"Der Lewis hat es probiert und der Michael hat seinen Platz verteidigt - wie sich das gehört. So etwas ist gezeigt worden von einem, dem man kürzlich noch nahegelegt hat, er solle doch zurücktreten. Wir werden noch viel Spass mit Michael haben. Nach Spa war dies nochmal ein Hinweis darauf, was dieser Mann kann", sagt Haug. Brawn ergänzt: "Seit einigen Wochen sehen wir wieder den Michael Schumacher, den wir kennen." Diese Duelle auf Augenhöhe gegen grosse Piloten der Formel 1 - das sind die Dinge, die Schumacher offenbar den Kick geben. "Lewis ist als harter Racer bekannt und meine Reputation ist nicht grossartig anders. Ich nenne es einfach Racing. Natürlich geht man in solchen Fällen an die äussersten Grenzen, aber solange die FIA nichts sagt, ist doch alles okay. Den Fans hat es sicherlich Spass gemacht", fasst Schumacher zusammen.
Dabei war es ihm letztlich nicht allzu wichtig, dass Hamilton später vorbeikam. "Ich habe per Funk mit dem Team gesprochen, bin ganz kurz auf den Drehzahlbegrenzer gekommen. Das war der Grund, warum er plötzlich mit Überschuss an mir vorbeikam. Aber ehrlich: Ihn so lange hinter mir zu halten, war mehr als man hätte eigentlich erwarten können", erklärt er. "Er war schneller, aber nicht so deutlich schneller. Als er an mir vorbei war, konnte er nicht richtig wegziehen, was ich sehr überraschend fand." Der Rekordweltmeister hat Blut geleckt. "Ich bin in der gleichen Form wie sonst auch", erklärt er. "Die beiden Rennstrecken passten gut zu unserem Auto, in Spa hat das Wetter geholfen und unsere Strategie hat jeweils funktioniert. Mal abgesehen von Mark Webber, der ausgefallen ist und sicherlich schneller war, haben wir diese Position vor Felipe aus eigener Kraft geholt. Das ist dem Auto und uns zuzuschreiben. Wir haben das Maximum herausgeholt. Damit dürfen wir zufrieden sein."
Ob nun sogar bald ein Podestplatz folgt? "Ich würde genauso gern auf dem Podest stehen wie das viele von aussen auch sehen wollen. Ich gehe davon aus, dass ich es schaffe: vielleicht nicht dieses Jahr, aber dann eben nächstes Jahr. Ich bin ganz sicher, dass Mercedes zum kommenden Jahr gute Fortschritte machen wird. Dann dürfte das Podium wieder machbar sein", lacht Schumacher. Haug frohlockt: "Michael fliegt jetzt nach Frankfurt, um auf der IAA unser neues DTM-Auto vorzustellen. Ich weiss genau, wer am Dienstag dort unser Star sein wird."
11.9.2011