Kovalainen: "Jarnos Fortschritt positiv für alle"

Heikki Kovalainen ist erfreut,

dass Jarno Trulli zusehends besser zurechtkommt

Lotus-Pilot Heikki Kovalainen macht keinen Hehl daraus, dass ihm ein starker Teamkollege an seiner Seite am liebsten ist, da er so auch selbst gezwungen wird, ans Limit zu gehen. Im Interview spricht Kovalainen über die Rückkehr von Jarno Trulli ins Lotus-Cockpit, über dessen Fortschritte und damit die des gesamten Teams sowie über seine Meinung zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Rennstalls.

Frage: Heikki, welchen Eindruck hast du nach den ersten beiden Trainingssitzungen vom Auto?

Heikki Kovalainen: Um ehrlich zu sein hat sich gegenüber den vorherigen Rennen nicht viel verändert. Ich hatte heute ein kleines Problem im Bereich der Lenkung zu beklagen. In der zweiten Session gab es dann noch ein kleines Getriebeproblem, das war aber nichts Ernstes. Insgesamt war es ein guter Tag für uns. Mit den Updates, die wir im Heckbereich einsetzen, bin ich soweit zufrieden.

Wo siehst du dich und das Team im Vergleich zur Konkurrenz?

Die Strecke hier ist eine der kürzesten im gesamten Kalender. Zudem war es heute recht heiß. Das sind sicher Faktoren, die dazu beitragen, dass wir hier näher an der Spitze dran waren als zuletzt. Wo wir wirklich stehen, werden wir nach dem Qualifying wissen. Ich hoffe natürlich, dass wir dann immer noch sagen können, dass wir etwas aufgeschlossen haben.

Welchen Eindruck hast du bisher von den Pirelli-Reifen an diesem Wochenende?

Der Abrieb schien heute etwas höher zu sein als bei den vergangenen Rennen. Das lag sicher zum Teil an den höheren Temperaturen auf der Strecke. Für einen Freitag war der Abrieb jedoch in Ordnung. Sollte es an diesem Wochenende nicht regnen, wird sich die Situation bis zum Sonntag sogar noch verbessern. Ich sehe hier in den Reifen jedenfalls kein Problem.

Wo siehst du dich hier im Vergleich zu deinem Teamkollegen Jarno Trulli stehen?

Die Tatsache, dass Jarno nun mit der Servolenkung besser zurechtkommt, ist für das gesamte Team und damit auch für mich positiv. Wenn du auf dich allein gestellt bist, weißt du nie, ob du deine Sache gut oder schlecht machst. Man braucht immer einen Vergleichswert. Jarno war heute etwas schneller als ich, weshalb ich bis morgen noch etwas Arbeit vor mir habe. Ich sehe das allerdings ausnahmslos positiv, da wir so das gesamte Team schneller voran bringen. Karun (Chandhok) hat am vergangenen Wochenende eine respektable Leistung abgeliefert. Jarno verfügt jedoch über wesentlich mehr Erfahrung und genau das ist es, was wir als Team im Moment brauchen. Ich kann nur sagen: Je stärker mein Teamkollege ist und je wohler er sich im Auto fühlt, desto besser ist es auch für mich, da ich so eher ans Limit getrieben werde. Zudem wird dadurch auch mein Auto schneller, was unser Duell im Rennen interessanter werden lässt. Auch wenn es uns nicht gelingen sollte, an den Vorderleuten dran zu bleiben, so wird die Auseinandersetzung mit Jarno sicherlich motivierend sein. Im Qualifying war ich in dieser Saison bisher immer schneller als Jarno. Ich erwarte aber, dass es hier deutlich enger zugehen wird.

Jarno hat bereits seit längerer Zeit nach einer neuen Servolenkung verlangt. Jetzt, da diese endlich da ist, scheint er damit sehr glücklich zu sein. Wie stehst du zu diesem Update?

Für mich macht es keinen allzu großen Unterschied. Jarno ist ein sehr feinfühliger Fahrer, für den am Auto nach Möglichkeit alles zu 100 Prozent perfekt passen muss. Meiner Meinung nach kann er jetzt das Potenzial des Fahrzeugs viel besser abrufen und damit auch bessere Aussagen zum Fahrverhalten abgeben, als das bisher für ihn möglich war.

Wie würdest du einem Aussenstehenden den Unterschied zwischen einem McLaren, den du in der Vergangenheit gefahren bist und deinem aktuellen Boliden beschreiben?

Der Unterschied beträgt gerade einmal drei bis vier Sekunden pro Runde. Das erscheint nicht viel. In der Formel 1 sind es allerdings Welten. Für mich als Fahrer besteht der Unterschied darin, dass ich nun etwas früher bremsen und langsamer durch die Kurven fahren muss. Die Differenzen mögen gering sein. Genau diese Kleinigkeiten machen in der Formel 1 allerdings den Unterschied aus. Unser Auto ist nichtsdestotrotz ein schneller Wagen. Für einen Aussenstehenden sieht er womöglich genauso schnell aus wie ein Red Bull.

Kannst du dich an deine erste Testfahrt für Lotus und an den Unterschied zu vorherigen Fahrzeugen aus deiner Karriere erinnern?

Das war im Grunde nicht anders als bei allen anderen Fahrzeugwechseln zuvor auch. Sobald sich etwas verändert, merkst du das als Fahrer natürlich.

Inwiefern konntest du deine Erfahrung - unter anderem aus deiner Zeit bei McLaren - bei Lotus in technischer Hinsicht einbringen?

Natürlich habe mich mir im Laufe der Jahre ein umfangreiches Wissen angeeignet. Ich verfüge inzwischen über reichlich Erfahrung und versuche diese so gut es geht, einzubringen. Man kann jedoch nicht alles 1:1 von einem Auto auf ein anderes übertragen. Ungeachtet dessen versuche ich, das Team voran zu treiben und alles, was ich an Erfahrung mitbringe, in die Waagschale zu werfen.

Mike Gascoyne hat in der Formel 1 einen sehr guten Ruf als Techniker. Wie klappt die Zusammenarbeit mit ihm?

Ich geniesse es sehr, mit Mike zusammenarbeiten zu können. Er ist von Beginn an ein Mitglied dieses Teams und macht einen sehr guten Job. Man kann sagen, dass er gemeinsam mit Tony (Teamchef Fernandes) und ein paar anderen Leuten das Team aus dem Nichts aufgebaut hat. Zudem treibt er alle im Team ständig nach vorn, da er eine ausgeprägte Führungspersönlichkeit besitzt. Ich persönlich komme sehr gut mit ihm aus. Wenn es doch einmal ein Problem gibt, sprechen wir das offen an und setzen im Anschluss ganz normal mit unserer Arbeit fort. Mike ist für das gesamte Team sehr wertvoll.

Was bedeuten die Lotus-Farben und die gesamte Geschichte der Marke für dich?

Ich weiss natürlich, wo der Name Lotus geschichtlich herkommt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass wir ein neues Team sind, das sich alles von Grund auf erarbeiten musste. Ich denke daher nicht allzu viel über die Geschichte nach, um ehrlich zu sein. Ich konzentriere mich vielmehr auf die Gegenwart und darauf, was wir in Zukunft noch erreichen können.

Was ist deiner Meinung nach in Zukunft für Team Lotus noch möglich?

Unser Ziel muss es sein, Rennen und die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wann das passieren wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. In der kommenden Saison werden wir sicher noch nicht so weit sein. Hoffentlich gelingt es uns, in den kommenden Jahren grosse Fortschritte zu erzielen. Derzeit sind wir als Team einfach noch zu klein. Unsere Fabrik ist noch nicht auf dem Stand wie die der anderen Teams. Dafür verfügen wir über sehr gute Leute. Ich glaube fest daran, dass wir mit konstanten Verbesserungen den Schritt bis ganz nach vorn schaffen können. Red Bull hat sechs oder sieben Jahre gebraucht. Wir werden sehen, wie lange es bei uns dauert.

Könntest du dir vorstellen wie Kimi Räikkönen einmal in den Rallyesport einzusteigen?

Ich schaue mir den Rallyesport gern im Fernsehen an. Momentan habe ich allerdings keine Zeit, diesen aktiv zu betreiben. Wir alle haben gesehen, was Robert (Kubica) passiert ist. Aus diesem Grund steht Rallyefahren derzeit nicht auf meiner Agenda.

30.7.2011