Sauber: «Perez' Unfall ging unter die Haut»

Peter Sauber

spricht in seiner Kolumne im «SonntagsBlick» über den Horrorunfall von Sergio Perez in Monaco

ES GIBT GESCHICHTEN, die schreibt nur die Formel 1. So geschehen in Monaco am vergangenen Wochenende. Begonnen hat sie im zweiten Teil der Qualifikation. Pérez legte eine sensationelle Runde auf den Asphalt und schaffte es erstmals in seiner noch jungen Formel-1-Karriere, bis ins Top-Ten-Finale vorzudringen. Auf einer Strecke notabene, die eine der fahrerisch anspruchsvollsten des gesamten Kalenders ist. Eine herausragende Leistung für einen Rookie. Und entsprechend gross war die Freude im ganzen Team.

NICHT LANGE! Denn wenige Minuten danach sahen wir die schrecklichen Bilder von seinem Unfall in der Hafenschikane. Was für ein Schock! Wir versuchten Sergio anzufunken, aber die Antwort blieb aus. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die Stromversorgung des Autos beim Aufprall unterbrochen worden war und somit der Funk gar nicht mehr funktionieren konnte.

ES FOLGTEN BANGE MOMENTE. Es wurden Erinnerungen an 1994 wach, als unser damaliger Pilot Karl Wendlinger an der gleichen Stelle verunfallte und danach über mehrere Tage um sein Leben kämpfte. Karl lag damals 19 Tage im Koma, bevor er sich zum Glück vollständig erholte.

IN MIR wurden diese Erinnerungen sofort wieder hervorgerufen. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir das alles sehr zugesetzt hat. Es ging mir tief unter die Haut.

NACH EINIGEN MINUTEN kamen dann erste gute Nachrichten von der Unfallstelle. Sergio war bei Bewusstsein und hatte offenbar mit den Ärzten gesprochen. Danach folgten der Transport ins Spital in Monaco und eingehende Untersuchungen. Wir konnten es kaum glauben: Der Mexikaner kam mit einer Gehirnerschütterung und einer Prellung am rechten Oberschenkel davon.

ICH HABE DANNCHECO, wie ihn die meisten nennen, noch am gleichen Abend im Spital besucht, und er war entschlossen, das Rennen am Sonntag zu fahren. Das war für uns natürlich keine Option. Aber es zeigt, wie Rennfahrer ticken. Sie lieben diesen Sport – und sie akzeptieren die Risiken.

AM SONNTAG setzten wir im Rennen dann nur ein Auto ein. Die ganze Verantwortung und damit auch der Druck lagen bei Kobayashi. Und er hat wieder einmal gezeigt, wie unglaublich stark er in den Rennen ist. Aufgrund der Reifenerkenntnisse aus dem Training hatten wir uns für eine Einstopp-Strategie entschieden, die nur dann aufgehen konnte, wenn Kamui die Reifen nicht überstrapaziert. Und das ist ihm prächtig gelungen. Platz fünf und zehn WM-Punkte waren der verdiente Lohn für diese tolle Leistung. Das Gefühl der grossen Bedrückung hatte in pure Freude umgeschlagen.

SERGIO seinerseits konnte das Spital in Monaco am Montag verlassen. In einer Spezialklinik in Zürich wurde er nochmals untersucht – mit durchweg positiven Resultaten, sodass wir sehr optimistisch sind, dass er in Kanada wieder am Start steht. Immer vorausgesetzt, dass er den Test des Automobil-Weltverbands FIA am nächsten Donnerstag in Montreal besteht.

NOCH EIN WORT ZUR FIA: Dass dieser Unfall von Pérez so glimpflich ausging, ist vor allem ihr Verdienst. Denn seit dem tödlichen Unfall von Ayrton Senna 1994 und dem Unfall Karl Wendlingers nur elf Tage später wurden die Sicherheitsvorschriften für die Autos und die Pisten laufend drastisch verschärft. Das hat Sergio vor schweren Verletzungen oder noch Schlimmerem bewahrt. Von Peter Sauber

Quelle: «SonntagsBlick»

6.6.2011