Hamilton / Alonso: Ein Herz und eine Seele?

Lewis Hamilton und Fernando Alonso verstehen sich

deutlich besser

Als "Krieg der Sterne" ist das McLaren-Mercedes-Stallduell 2007 zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso in die Formel-1-Geschichte eingegangen. Beim Grand Prix von Ungarn kam es damals zur Eskalation, als Alonso mit einem Blockademanöver im Qualifying Hamilton behindert hat, doch anscheinend sind die beiden nicht sonderlich nachtragend.

Denn zwar verliess Alonso McLaren trotz eines gültigen Vertrags schon nach einem Jahr, aber als sie nicht mehr den gleichen Arbeitgeber hatten, wurde aus der erbitterten Rivalität der beiden ein zwar kühles, aber keineswegs feindseliges Verhältnis. Nun hat Alonso damit überrascht, dass er den von vielen Seiten kritisierten Hamilton angeblich als einzigen Fahrer gelobt hat, der auch ohne das beste Auto im Feld gewinnen kann und deshalb 2012 beobachtet werden müsse.

Das kommt bei Hamilton gut an: "Es haut mich um, dass Fernando so etwas Positives über mich sagt - trotz meiner schlechten Saison und trotz der Differenzen, die wir hatten", freut sich der 26-jährige Brite. "Ich glaube, unsere Freundschaft ist seither viel stärker geworden. Es freut mich, wenn er so etwas sagt, denn ich halte für einen der besten Fahrer, wenn nicht für den besten Fahrer hier. Schön zu wissen, dass ich unter den Fahrern Unterstützer habe."

Weniger gut als mit Alonso versteht sich der McLaren-Pilot mit Felipe Massa, dem zweiten Ferrari-Fahrer, mit dem er diese Saison schon ein paar Mal kollidiert ist. Hamilton wünscht sich eine Aussprache, Massa scheint dazu aber nicht mehr bereit zu sein. Im Vorfeld des Grand Prix von Abu Dhabi bezeichnete er Hamilton geringschätzig als "aggressiven Fahrer", denn er selbst habe keine Schuld an diversen Karambolagen gehabt. "Ich finde, dass er ein aggressiver Fahrer ist", kontert Hamilton. "Er ist einer derjenigen Fahrer, die am schwierigsten zu überholen sind. Er lässt die Tür nie offen, aber so muss man es ja auch machen, wenn man vorne ist. Der Hintermann wiederum muss alles versuchen, um trotzdem vorbeizukommen. Leider sind wir uns dabei ein paar Mal ins Gehege geraten, aber ich habe keine Probleme mit ihm. Welche Schwierigkeiten er auch immer mit mir haben mag, ist seine Sache."

Hamilton widerspricht Whitmarsh


Pleiten, Pech und Pannen: Lewis Hamilton erlebt 2011 das (eigenen Angaben nach) schlimmste Jahr seiner bisherigen Karriere. Der McLaren-Pilot wurde in zahlreiche Karambolagen verwickelt, unter anderem mit seinem eigenen Teamkollegen Jenson Button sowie (mehrfach) mit Felipe Massa, sorgte aber auch abseits der Rennstrecke für Negativschlagzeilen. So stilisierten zahlreiche Moralapostel nach seinem leicht missglückten Ali-G-Witz in Monte Carlo eine verbale Unbedachtheit zu einem rassistischen Fehltritt hoch, während er nach der Trennung von Managervater Anthony auch privat in Turbulenzen geriet, an denen zuletzt auch die Beziehung zu Nicole Scherzinger zerbrochen ist. Hamilton machte in der Folge gar keinen Hehl daraus, dass er derzeit psychologisch angeschlagen ist.

Vergleich mit Journalisten

Martin Whitmarsh meinte zuletzt sogar, sein Schützling entschuldige sich zu oft, aber der nimmt diese Kritik nicht an: "So bin ich nun mal", entgegnet Hamilton seinem Teamchef und betont: "Ich habe ja nicht viel, worüber ich dieses Jahr glücklich sein könnte. Ist doch für euch das Gleiche: Wenn ihr im Jahr zehn Storys schreibt und acht davon sind beschissen, dann werdet ihr euch auch nicht gut fühlen. Ein paar Rennen waren gut, die meisten nicht. Ich schaue mir die Ergebnisse des ganzen Jahres an: Vierter, Vierter, Vierter, Fünfter, Sechster, Achter, wie auch immer - und nur ein- oder zweimal Erster oder Zweiter. Das ist für mich persönlich eine gewaltige Enttäuschung", seufzt er. "Ich bin selbstkritisch, vielleicht zu selbstkritisch, aber so gehe ich damit um. Ich arbeite daran, das weniger an mich ranzulassen, aber ich nehme es persönlich, denn das Rennfahren bedeutet alles für mich."

Laut Whitmarsh könnte Hamiltons Formtief auch mit dem teaminternen Druck zu tun haben, den Button mit seinen starken Leistungen indirekt ausübt. Aber: "Das ist Mist. Er hat einige Aussagen getroffen, denen ich nicht zustimme", widerspricht der McLaren-Pilot. "Es gibt nicht viele Menschen, die die Probleme verstehen, die ich dieses Jahr habe - eigentlich schon seit zwei Jahren. Ich kann dazu nichts sagen, denn jetzt ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt, um das zu tun. Jenson", meint der 26-Jährige, "hat grossartige Arbeit geleistet und alles auf die Reihe bekommen. Er ist jedes Rennen da, hat eine Freundin, mit der er sehr glücklich ist. Er schwebt auf einer Wolke, auf der er sich sehr wohl fühlt, und deswegen kann er seine volle Leistung abrufen. Ich hatte so eine Wolke früher auch, aber ich habe sie verloren. Ich arbeite daran, mir wieder eine zu holen, denn ich bin fest davon überzeugt, dass das Unterbewusstsein einen großen Einfluss hat."

Keine Eifersucht auf Button

"Natürlich" wäre er lieber vor als hinter Button, aber er habe "kein Problem" damit, dass sein Teamkollege derzeit auf einer Erfolgswelle schwebt: "Ich habe immer gesagt: Wenn er besser fährt als ich, dann ist es eben so. Ich muss es in Zukunft besser machen", sagt Hamilton. Dafür muss er zunächst mal sein Umfeld sortieren und wieder den Blick für das Wesentliche bekommen. Doch einen Spezialisten möchte er nicht konsultieren. "Ich habe noch nie mit einem Mentaltrainer gearbeitet und werde das auch sicher nie tun", stellt der Brite klar. "Es ist mir aber wichtig, mir wieder eine tolle Atmosphäre zu schaffen, denn wenn mit Freunden und Familie alles passt, dann schwebt man auf dieser positiven Wolke. Ich komme zu jedem Rennen mit einem guten Gefühl, aber unterbewusst bin ich vielleicht nicht hundertprozentig glücklich. Das wirkt sich aus und das möchte ich ändern, bevor die nächste Saison beginnt." Das beste Rezept wäre seiner Meinung nach ohnehin, mit zwei Siegen in Abu Dhabi und Sao Paulo Selbstvertrauen zu tanken und mit einem guten Gefühl in den Winter zu gehen: "Das würde einen großen Unterschied machen", glaubt Hamilton. "Zwei saubere Rennen ohne eine Strafe zu haben, sie zu gewinnen, das wäre ein schöner Saisonabschluss. Ich weiß aber, dass ich gegen die besten Fahrer antrete und dass alles passieren kann."

10.11.2011